Bild für Beitrag: Georg Graewe ‚Stills and Stories’ | Funkelnde Edelsteine des Klaviersolos
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Georg Graewe ‚Stills and Stories’

Funkelnde Edelsteine des Klaviersolos

Bochum, 27.04.2015
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

In diesem Jahr erhielt er den renommierten SWR-Jazzpreis wegen seiner „ebenso freien wie konzisen Klang- und Formsprache, die von der amerikanischen Jazzklavier-Tradition genauso beeinflusst ist wie von der europäischen Kunstmusik“, im letzten Jahr erhielt er als „Mann der ersten Stunde“ den Jazz Pott in Essen. Georg Graewe – gebürtiger Bochumer und aktuell in Wien lebend – ist wahrlich ein umtriebiger Musiker und Komponist. Immer wieder zieht es ihn in seine Heimatregion, sein „GrubenKlangOrchester“ wie sein "Grubenklang.Reloaded" sind hier genauso legendär wie seine Auftritte im Kontext der improvisierten Musik. Unlängst war er anlässlich der Uraufführung seiner komplexen Komposition WORDS|VOWS|GIFTS|TEARS - Sechs Selbstgespräche nach William Shakespeare für Sopran, Violoncello und Klavier im Kunstmuseum Bochum zu erleben.

Seine neue CD Stills and Stories – die vierte – ist wie die drei Vorgänger ein reines Soloalbum. Das Pianosolo gibt offensichtlich Georg Graewe den idealen Raum, seine Ideen für die verschiedenen musikalischen Betätigungsfelder zwischen auskomponierten Stücken und solchen der freien Improvisation zu finden, weiterzuentwickeln und frei zu entfalten. Das Material für die neue CD spielte Graewe bereits 2010 ein – übrigens in Bochum in der Aula des Ottilie-Schoenewald-Weiterbildungskollegs mit seiner hervorragenden Raumakustik. Warum sich der Pianist erst jetzt zu einer Veröffentlichung entschlossen hat, ist zu bedauern, hat er jahrelang seinem Publikum einen wahren Schatz mit funkelnden Edelsteinen des Klaviersolos vorenthalten. Aus fünf Stunden Material destilliert Graewe 23 Stücke für eine CD-Länge von ca. 80 Minuten. Es handelt sich dabei um Miniaturen, um Aperçus von 1’17 bis 5’54 Minuten Länge, die mal mehr schwebenden Zuständen („stills“), mal mehr narrativen Formen von Kurz- bzw. Kürzestgeschichten („stories“) zuzuordnen sind. Den Stücken ist ein Grundmuster von auf- und wieder abschwellenden Phasen gemein, bei denen sich das Spiel gleichsam aufbaut, um innezuhalten und Luft zu holen für einen immer wieder von neuem variierten Ansatz. Abrupt enden die „short cuts“. Dabei erzeugt Georg Graewe auf dem wunderbar klingenden Bösendorfer-Flügel hochvirtuose Läufe und zarte Schraffuren, die ein Motiv lediglich in Umrissen skizzieren, um es direkt nach dem Entstehen wieder zu verändern und mysteriös aufzulösen. Die Harmonien schaffen eine impressionistische Klangwelt mit eher lyrischer Verspieltheit und dissonanten Schwingungen. Die teilweise hyperschnellen Läufe und Pattern sorgen ähnlich wie die ruhigeren Phasen der CD für eine rätselhafte Stimmung und nervöse Spannung. Die Musik Graewes entzieht sich dem klar Definierten und Erwartbaren, man könnte sie in ihrer Offenheit und Unbestimmtheit als musikalisches Sfumato bezeichnen. Pianistisch zeugt die Solo-CD in ihrem klanglichen und harmonischen Einfallsreichtum und ihrer spielerischen Meisterschaft von einer ausgesprochen dichten und komplexen Raffinesse, beim Zuhören lässt man sich gebannt auf die Stills und die Stories und die in ihnen enthaltenen akustischen Vexierbilder ein. Ein musiksprachlich gänzlich außergewöhnliches Solo-Album!

Random Acoustics RA CD 028

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