Frank Wingold Entangled Trio
Hiatus Blues
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Kevin Grützner
‚Entangled‘ – verwickelt, verwoben, verschränkt - heißt das Trio und ‚entangled‘ sind vor allem die Stücke, die Frank Wingold zusammen mit Robert Landfermann und Jonas Burgwinkel komponiert hat. ‚Hiatus Blues‘ heißt das neue Album, das in diesem Frühling beim Bremer Label Berthold Records erschienen ist.
Das Trio
Frank Wingold
, Jahrgang 1968, ist Gitarrist und Professor für Jazzgitarre an der Hochschule Osnabrück. Er leitet die Band 'agog' und spielt seine 7saitige E-Gitarre sehr unkonventionell mit Daumen-Pick und verstärkten Nägeln, mit allen Fingern, sogar mit dem kleinen Finger schlägt er die Saiten an. 2021 erschien sein Solo-Album ‚To Be Frank‘.
Während Wingold mehr hinter der Lamdesgrenze agiert, sind die anderen beiden fest in NRW angesiedelt. Der Kölner Kontrabassist
Robert Landfermann
erhielt 2009 den WDR-Jazzpreis für Improvisation und mit dem Quartett von Frederik Köster den Neuen Deutschen Jazzpreis. Auch in Köln gut bekannt ist der Drummer
Jonas Burgwinkel
. 2009 war er dabei, als das Kölner Jazz-Kollektiv KLAENG, zu dem auch
Robert Landfermann
gehört, gegründet wurde. 2012 erhielt er den deutschen Musikpreis ECHO Jazz in der Kategorie Instrumentalist des Jahres National Drums/Percussion für sein Album Source Direct.
Beide haben oft mit
Pablo Held
zusammen gespielt, doch das gilt ebenso für
Frank Wingold
, mit dem sie schon 2018 das Album ‚Entangled Music‘ veröffentlicht haben. Bei soviel Konzerterfahrung im Trio liefen die Studioaufnahmen wohl wie am Schnürchen. ‚No overdubs were used‘ steht auf der CD-Hülle, nichts wurde gemischt, es handelt sich quasi um eine Art ‚Live Aufnahme aus dem Tonstudio‘.
Das Trio am 20.10.23 in der Tonhalle Hannover
Quantenphysik als Analogie
Mit dem ‚Hiatus Blues’ beginnt das Album, weit weg vom klassischen 12-bar-Blues, ein „24-taktiger Blues mit großen Lücken zwischen den Melodiefragmenten, die sich allmählich füllen, während sich Melodie und Improvisationen entwickeln.“ erklärt Wingold. Damit ist im Grunde schon die Konzeption des ganzen Albums beschrieben. Viele der Stücke basieren auf Vorstellungen der Quantenphysik über physikalische Abläufe: „Winzig kleine Elemente wie z.B. Moleküle, können erheblichen Einfluss auf Prozesse nehmen. So ähnlich ist es in der Musik auch – die vermeintlich kleinen Lücken bieten erstaunlich viel Raum für Kreativität“. Das erinnert an den berühmten ‚Schmetterlingseffekt‘, nach dem der Flügelschlag eines Schmetterling in den USA einen Orkan in Japan auslösen könnte.
Wingold sieht den Aufbau seiner Musik ganz ähnlich. Nach recht einfachen Melodielinien zu Beginn werden Tonfolgen und Harmonien immer mehr erweitert und wachsen allmählich zu einem neuen komplexen Ganzen zusammen. So wird in ‚Nucleus‘ anfangs ein Fragment als ‚Kern‘ vorgestellt, der ständig erweitert und immer komplexer konstruiert wird und schließlich in eine Improvisationsphase einmündet, nach der es wieder andersherum läuft bis am Ende Stillstand herrscht.
Etwas anders klingt ‚Agitango’ eine interessante Tango-Variation, vor allem am Rhythmus ist der Tango zu erkennen. ‚Flare‘ bietet eine viel leichtere, fast minimalistische Melodie, doch alle 11 Stücke sind nach einem ähnlichen Muster gestrickt.
Das Trio spielt wie aus einem Guss, alles passt zusammen. Das klingt nicht wie Wes Montgomery oder Jim Hall, auch nicht wie Bill Frisell, denn Wingolds Jazz ist kammermusikalisch angelegt. Wingold nutzt souverän das Klangspektrum seiner 7saitigen Jazzgitarre für viele kleine Melodien und Improvisationen, Landfermann und Burgwinkel begleiten, kommentieren und bringen sich mit eigenen Improvisationen gekonnt ein. ‚Hiatus Blues’ ist ein interessantes Album, nur der Titel führt in die Irre, denn Anklänge an den Blues finden sich nur selten. Doch es fordert den Hörer, weil die Kompositionen sehr komplex sind. Man muss schon genau hinhören.
Frank Wingold
- Hiatus Blues
Label: Berthold, 2024
Bestellnummer: 1733704
Erscheinungstermin: 29.3.2024
https://www.wingold.de