Flaka Goranci and World Chamber Orchester
La Femme - Journey of Female Composers
TEXT: Stefan Pieper |
Auf ihrem neuen Album „La Femme“ gibt die Sängerin Flaka Goranci Frauen aus vielen, oft repressiven Gesellschaften eine starke Stimme. Und auch musikalisch ist es sensationell, was die gebürtige Kosovo-Albanerin zusammen mit dem von ihr initiierten World Chamber Orchestra realisiert hat. Wie die Urheberinnen aus Vorderasien und Südosteuropa stammen, berühren sich hier globale Musikkulturen.
Die programmatische Idee dieses Ambitionierten Projektes kreist um die gesellschaftliche Wirklichkeit von Komponistinnen, Künstlerinnen und sonstigen weiblichen Menschen, die vor allem aufgrund ihres Geschlechts repressiven Bedigungen ausgesetzt sind.
Das Stück „The Window“ der iranischen Komponistin Niloar Norbakish verleiht jenen mutigen Frauen eine starke Stimme, die endlich gegen das Unterdrücker-Regime im Iran aufbegehren, was schon nicht wenigen das Leben gekostet hat. Im dazugehörigen Video schneidet sich Flaka Goranci eine Haarsträhne ab als solidarisches Erkennungszeichen einer wachsenden Bewegung, die sich dagegen wehrt, als Frau als Mensch zweiter Klasse behandelt zu werden.
Ein Stück der syrischen Komponistin Dima Orsho ist den vergessenen Menschen an den Ufern des Euphrat gewidmet und zieht mit seinen immer tiefer absteigenden Tonfolgen in einen melancholischen Sog hinein. Es geht um zahllose Menschen, für die sich scheinbar niemand interessiert, wo sinnlose Weltkonflikte in erster Linie an den Eitelkeiten der Mächtigen hängen. In der zweiten Strophe wird Flaka Gorancis Gesangslinie von Dima Orshos arabischem Gesang übernommen, während die arabische Rahmentrommel im Hintergrund den unauslöschlichen Lebenspuls gibt.
Um Verlust und Sehnsucht geht es in einem ukrainischen Volkslied, dargeboten von Zoryana Kushpler, die auch Mezzosopran singt. Auch zwei große Welthits verleibt Flaka Goranci souverän ihrer eigenen Mission ein – und das rührt im Falle des lateinamerikanischen „Bésame Mucho“ schließlich zu Tränen, weil sich bis hier schon so viel mächtige Emotion aufgestaut hat. Dieses Kultstück ist eine Hymne für alle Liebenden, die - zum Beispiel durch Krieg - unfreiwillig voneinander getrennt werden. Kreiiert wurde es von Consuelo Velázquez, die wiederu nur deswegen so viel Erfolg mit ihren Werken hatte, weil die den größten Teil des Lebens unter einem männlichen Pseudonym veröffentlichte.
So cool wie Flaka Goranci im letzten Stück „Pata Pata“ hat dieser Planet wohl selten eine Opernsängerin phrasieren gehört. Auch diese Nummer der großen „Mama Africa“ Miriam Makeba wurde wohl kaum wegen seines jahrelangen Erfolges den Weltmusik-Charts ins Programm genommen. Der Tanz „Pata Pata“ kam in den illegalen Musikklubs in den Townships von Johannesburg Mitte der 1950er Jahre auf – als Verkörperung eines freien Lebensgefühles, auf dessen Nährboden der Widerstand gegen das Apartheidsregime wachsen konnte.
Bei aller überbordenden Vielschichtigkeit auf diesem Album läuft die Botschaft in diesen und vielen anderen, kunstvoll arrangierten Liedern auf einen verbindenden gemeinsamen Nenner hinaus: Es geht um Schönheit und Liebe als starke, weiche Kraft gegen eine feindliche (gesellschaftliche) Wirklichkeit. Noch mehr um eine tiefe Traurigkeit, die aus dieser Konfrontation immer wieder folgt. Verluste eines geliebten Menschen aufrund sinnloser Schicksale, Abschied, Verlassensein. Aber auch Hoffnung, Sehnsucht, Spiritualität.
Auch die Spielerinnen und Spieler des multikulturell besetzten World Chamber Orchestras unter Leitung von Konstantinous Deminakis laufen zur Höchstform auf. Oft kommen ausgewählte einzelne Instrumente Flaka Gorancis Gesang umso näher, etwa die Pianistin Donka Angatschewa, der formidable Geiger Maximilian Bratt oder auch raffiniert arrangierte orientalische Perkussion oder ein Synthesizer.
Dieses starke Album braucht Zeit für Erkundung, was sich unbedingt lohnt. Ebenso, wie wohl keine Lebensspanne ausreicht, die Vielfalt von Kulturen zu ergründen und jede neue Erfahrung zu nutzen, um empfindsamer zu werden…
La femme: Journey of Female Compoers
Flaka Goranci, World Chamber Orchestra
Naxos 2022