Bild für Beitrag: Film und Soundtrack-CD ‘Ma Rainey's Black Bottom’ | Musik von Branford Marsalis
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Film und Soundtrack-CD ‘Ma Rainey's Black Bottom’

Musik von Branford Marsalis

Bochum, 01.01.2021
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: s.u.

Zwei schwarze junge Männer laufen durch einen nebligen Wald, Hundegebell. Werden sie verfolgt? Aber nein, sie laufen zum Konzert von Ma Rainey in einem kleinen Schuppen, 1927 in Georgia. Seit dem 18. Dezember 2020 steht der Film 'Ma Rainey's Black Bottom' bei Netflix im Netz, er läuft in keinem Kino und wurde extra für Netflix produziert.

  • Rollen und Schauspieler

Grundlage des Drehbuchs ist ein Theaterstück von August Wilson aus dem Jahr 1982. Die Haupthandlung spielt darum nur in einem Aufnahmestudio und in einem Keller. Die Personenkonstellation des Films umfasst zwei Gruppen von 2 Weißen und 6 Farbigen. Die Weißen sind die Mächtigen, zu ihnen zählen der Manager Irvin (gespielt von Jeremy Shamos) und der Produzent Sturdyvant (Jonny Coyne). Die Gruppe der Farbigen sind die Abhängigen, sie besteht aus Ma Rainey (Viola Davis) und aus der Band mit Trompeter Levee (Chadwick Boseman), Pianist Toledo (Glynn Turman), Posaunist Cutler (Colman Domingo) und Bassist Slow Drag (Michael Potts); in den Nebenrollen der Neffe Sylvester (Dusan Brown) und Dussie Mae (Taylour Paige). Den Ablauf der Story kann man leicht im Internet finden. Regie führte George C. Wolfe. Die Musik stammt überwiegend von Branford Marsalis. Der Film ist Chadwick Boseman gewidmet, der im letzten August mit 43 Jahren gestorben war.

  • Themen im Film

Es geht um die Anfänge des Blues, der mit Ma Rainey als Protagonistin in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Daraus entwickelte sich dann die Produktion von sogenannten ‚Race Records‘, die extra für die schwarze Bevölkerung herausgebracht wurden. In der Person des jungen Trompeters Levee wird auch die musikalische Weiterentwicklung zu Swing und Jazz deutlich, wenn Levee ungefragt Improvisationen einbringt und der Manager auf den geänderten Musikgeschmack der Leute hinweist.
‚Invites all to come to the North’ - in Original Schwarz-Weiß-Fotos ist zu sehen wie viele Schwarze von den Südstaaten in den Norden kamen. Und man sieht in zwei kurzen Sequenzen wie die industriellen Arbeitsverhältnisse von farbigen Männern (Heizer) und Frauen (Näherinnen) aussahen.
Genauso ist auch Ma Rainey von Georgia nach Chicago gekommen. An ihrem Beispiel wird die soziale Situation der Afro-Amerikaner deutlich, es geht um Diskriminierung, um Ausbeutung und um Bewältigungsstrategien. Ma Rainey ist herrschsüchtig; wenn sie z. B. auf einer Cola vor Beginn der Aufnahme besteht, nutzt sie ihre Macht aus, um den Produzenten unter Druck zu setzen. Man könnte das als eine Art Rache an den Weißen interpretieren. Allerdings erstreckt sich ihre Herrsucht auch auf die anderen Farbigen und bringt besonders den jungen Trompeter Levee in Bedrängnis.

Levee ist sehr ambitioniert und scheint manchmal unterwürfig zu sein. Später wird aber deutlich, dass er nach massiven Gewalterfahrungen seinen eigenen Weg gefunden hat damit umzugehen. Er will im Grunde ebenso wie Ma Rainey seine eigene Band haben und ein Star werden. Als der Produzent ihm nur 5 $ für seine Komposition anbietet, rastet er aus, richtet seine Aggressionen aber gegen den Pianisten Toledo. Dieser ist der Intellektuelle in der Band, er vergleicht die ‚Rassen‘-Mischung in den USA mit einem ‚Eintopf‘, die Schwarzen seien der Rest, der überbleibt, und sie müssten sich fragen, was sie mit sich anfangen wollen. Die anderen Musiker sind sehr pragmatisch, sie wollen nur Geld verdienen und passen sich allen Anforderungen an.
Ein weiterer zeitgeschichtlicher Aspekt des Films ist die Stadt Chicago, die zwischendurch in kurzen Szenen gezeigt wird. Ganz im Gegensatz zu dem dunklen Keller, in dem die Band auf ihren Auftritt wartet, spielen die Stadtszenen in gleißendem Licht, einmal unter der geschichtsträchtigen Loop-Bahn. Ein anderes interessantes Nebenthema ist die Studiotechnik dieser Zeit. In kurzen Szenen wird gezeigt wie über ein Mikro und eine Art Getriebe der Ton direkt auf eine Schallplatte ‚eingraviert‘ wird.

  • Musik

Historische Aufnahmen von Ma Rainey klingen wegen der damaligen Aufnahmetechnik undeutlich und fremd. Wie kann man nun im Film diese Musik rüberbringen ohne sie zu verfälschen? Mit dieser Aufgabe wurde Branford Marsalis beauftragt. Er hat dazu fast alle Songs selbst komponiert. Nur Those Dogs of Mine und Ma Rainey's Black Bottom stammen aus Ma Rainey’s Feder. Viola Davis singt nur Those Dogs of Mine, die anderen Songs hat Maxayn Lewis unter ihrem Geburtsnamen Paulette Parker gesungen.
Im Zentrum des Films steht der klassische Blues-Titel Ma Rainey's Black Bottom, denn der soll ja produziert werden und um diesen ranken sich – vordergründig – alle Diskussionen. Der Film beginnt aber mit Deep Moaning Blues, der auf der Farm in Georgia im Vaudeville-Stil aufgeführt wird, dann aber die Brücke zu Chicago schlägt, wo er in einem Showroom mit vielen Tänzerinnen präsentiert wird. El Train hört man bei einer Straßenszene, hier klingt, wie auch bei Lazy Mama, schon der moderne Chicago-Jazz an. Eine gute Übersicht und Erläuterungen zu allen Songs gibt der Artikel ‚Ma Rainey's Black Bottom Soundtrack Guide: Every Song’ von Elise Hanson. Eine Übersicht über Soundtracks und Musiker gibt es auf der Homepage von Branford Marsalis.

Mit ‘How Branford Marsalis Found Ma Rainey’s Sound‘ ist ein längeres Interview überschrieben, in dem Branford Marsalis über seine Arbeit mit dem Film berichtet. Er erzählt u. a., dass er für Chadwick Boseman eine ‚Fingertabelle‘ geschrieben hat, damit dieser beim Trompetenspiel auch die richtigen Ventile drückt. Der Soundtrack des Films ist als CD im Dezember erschienen (s.u.).

Der Film ist aufgrund der Textvorlage sehr dialoglastig und auf zwei Haupt-Drehorte beschränkt. Es gelingt aber dem Regisseur und vor allem dem Komponisten daraus einen sehr interessanten Film zu entwickeln, der einen thematischen Tiefgang in Bezug auf Zeit- und Musikgeschichte hat und nicht zuletzt wegen der Musik auch einen hohen Unterhaltungswert besitzt. Schade, dass er nicht im Kino läuft, es lohnt sich auf jeden Fall ihn sich auch ein zweites Mal anzusehen und anzuhören.

CD: Ma Rainey's Black Bottom
Label: Milan
Bestellnr.: 10367049 18.12.2020

Film: Ma Rainey's Black Bottom
1 Std. 34 Min.
https://www.netflix.com/de/title/81100780

Fotos aus:
https://www.branfordmarsalis.com/photos
https://www.zeit.de

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