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Encounters

Unheimlich intensive Begegnungen dreier Musiker

Bochum, 28.01.2015
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Drei Urgesteine der improvisierten Musik treffen aufeinander, sie kennen sich aus unterschiedlichen Konstellationen in der europäischen (Free) Jazz-Szene, sind gewohnt, ohne Absprache und Vorgespräch sich auf das Abenteuer eines Abends von Spontan-Komposition einzulassen, bringen jeweils einschlägige Erfahrungen mit, …und los geht’s. Die neue CD Encounters mit dem russisch-stämmigen Simon Nabatov am Flügel, dem Holländer Luc Houtkamp an den Saxophonen und dem Bochumer Drummer und Perkussionisten Martin Blume demonstriert, wohin eine solche Spontanreise führen kann: Hier ist ein Zusammentreffen der wirklich unheimlich guten Art von drei Ausnahmemusikern zu vermelden. Die CD Encounters ist anlässlich ihres ersten Treffens am 23. März 2014 im Kölner Loft entstanden, danach tourte das Trio gemeinsam, wo ich sie im Rahmen der Reihe ‚Soundtrips‘ im Bochumer Kunstmuseum erleben durfte. Was beim Live-Konzert deutlich wurde, nämlich dass es sich um eine äußerst intensive Free Jazz-Interaktion von hochinteressanten und vitalen Musikern handelt, wird auf der CD-Retorte durch die technische Reproduzierbarkeit und damit die Möglichkeit des mehrmaligen Hörens noch einmal besonders bestätigt: Das Trio präsentiert auf den acht unterschiedlich langen Tracks mit programmatischen Titeln wie running, coming, bumping, stumbling, confronting, meeting und facing ein 66-minütiges Ausnahmekonzert. Beginnend mit einem Sax-Schrei entwickeln die Drei ein Akustik-Abenteuer, das kraftvoll beginnt, bei dem das expressiv geblasene Tenor-Sax von schnellen Läufen und Arpeggien auf dem Flügel „begleitet“ wird, bei dem ein reichhaltiges Percussion-Set die Farbtupfer von Sax und Piano aufgreift und in die Modalitäten des Drums übersetzt. Die gesamte Interaktion auf der CD ist von unterschiedlicher Dynamik geprägt: Es gibt ein zum Teil ein eher vorsichtiges Herantasten an einen gemeinsamen musikalischen Diskurs, es gibt Phasen mit expressiv-orgiastischen Halluzinationen, dann wieder solche in ruhigerem Fahrwasser, solche mit atonalem Tonmaterial, dann wieder solche mit kurzen Andeutungen fast melodiöser Linien. Hochspannend beim Zuhören ist nachzuverfolgen, wie sich der musikalische Dialog entwickelt, wie die drei Musiker Energiefelder aufbauen, sich aufeinander beziehen, wie sie gemeinsam aus der Kakophonie wieder herausfinden und die entstandene Spannung wieder abbauen.

Das ist erwartungsgemäß keine leicht eingängige Feierabend-Kost, verlangt wird vielmehr hochkonzentriertes Zuhören, man wird dabei mit einem besonderen Hörerlebnis belohnt. Dies liegt an der Interaktion von Klavier, Sax und Perkussion, aber auch nicht zuletzt an der hervorragenden musikalischen Qualität, die alle drei Musiker mit ihrem Instrument zeigen. Sie haben nicht nur sich untereinander etwas zu sagen, sondern ihre jeweilige Stimme hat eine besondere Substanz und Stärke. Simon Nabatov ist ein klassisch ausgebildeter Pianist, der mit jedem mit Rang und Namen in der Jazz-Szene zusammen musiziert hat. Dies hört man seinem filigranen und phantasiereichen Klavierspiel mit der rechten und linken Hand an, schier unerschöpflich scheinen seine Läufe, seine Akkorde, seine Cluster. Luc Houtkamps Saxophon-Spiel zeigt ein ganzes Register von Blastechniken vornehmlich auf seinem Tenor-Sax, in dem Track confronting (the) auf dem eher ungewöhnlichen geraden Alt-Sax, die Texturen reichen von bloßen Blas- und Klappengeräuschen bis zu Phrasen mit kräftig-dynamischem Überblasen, zum Teil in atemberaubendem Tempo, zum Teil in fast elegischer Blastradition. Und Martin Blume bedient ein umfangreiches Drumset, er holt aus seinem Material ein unglaubliches Klangspektrum, das weniger der klassischen Rhythmusgeber-Rolle verpflichtet ist. Es fungiert mehr als klanglicher Kitt, als Geräuschkontinuum für die beiden anderen Instrumente. Erreicht wird damit insgesamt ein nervös-feinnerviger Klangkosmos mit unglaublich dichten, preziosen akustischen Irrlichtern. Der daraus betörenden Wirkung kann man sich kaum entziehen. Meisterlich!

Leo records 2015

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