Eberhard Weber
Once upon a time
Es war einmal, Once upon a Time, könnte nicht treffender die Lebenssituation des Bassisten Eberhard Weber ausdrücken. Seit er 2007 kurz vor dem Auftritt mit der Jan Garbarek Group in der Philharmonie Berlin einen Schlaganfall erlebte, von dem er sich nicht mehr vollständig erholte, ist sein Bass verstummt.
Anlässlich seines 80.Geburtstages 2020 veröffentlicht das Label ECM unter diesem Titel eine Hommage an ihn. Solo-Bass-Aufnahme vom August 1994 im Théâtre des Halles in Avignon im Rahmen des Festivals International De Contrabasse, von Gérard de Haro damals aufgenommen, im Mai 2021 in den Studios La Buissonne abgemischt, erlebt mit der jetzt veröffentlichten CD der Weber-Bass gleichsam seine Reinkarnation.
Once upon a Time fordert geradezu heraus, sich früh veröffentlichte LPs unter seinem eigenen Namen wie Yellow Fields (1975) und Colours – Little Movements (1980) oder Paths. Prints (1982) mit Jan Garbarek (sax), Bill Frisell (git) und Jon Christensen (dr) - sämtlich schon bei ECM veröffentlicht - wieder einmal auf den Plattenteller zu legen. Kaum zu glauben, dass diese Aufnahme teilweise mehr als vier Jahrzehnte zurück liegen. Und bis heute von seiner Frau der Grafikerin Maja Weber mit einem unverwechselbaren Cover gestaltet.
Beim Hören der CD neben den LPs rieseln einem unweigerlich Glücksschübe über den Rücken. Webers einzigartigen Tongebungen und Phrasierungen bestechen durch unverkennbare Diktionen. In einer Besprechung des damaligen Live-Konzerts heißt es: Es ist schwer vorstellbar, dass ein Anderer spielen könnte, was Weber spielt. Vielleicht noch schwer in Trauer vorstellbar, dass Weber nie wieder überhaupt auf einer Bühne stehen und spielen wird.
Sein ikonografischer, fünfsaitiger Bass-Hybrid schweigt. Glücklicherweise sind seine Kompositionen und Bass- Performance zahlreich dokumentiert. Once upon a Time hört sich noch nach einem viertel Jahrhundert mit seinen Improvisationen inspiriert und frisch an, als wäre es erst jüngst aufgenommen.
Der eröffnende Track Pendulum mit seinen markanten Overdubs ist mehr als nur ein technisches Kabinettstück. In der griechischen Mythologie wird das Pendel als Teil meditativer Übungen der Göttin Hekate, der Göttin der Wegkreuzungen, der Wächterin zwischen den Toren der Welten zugeschrieben. Die existentielle Daseins-Welten im Kontext ihres Endes zu betrachten, sich in ihre unbekannt andauernde Zeit einzuschwingen, liegt, metaphorisch betrachtet, auch Webers musikalischer Haltung zugrunde. Auf der CD ist von diesen assoziativ aufgeladenen, ontologisch justierten Exkursionen ausgiebig zu hören.
Weber verbindet seine technischen Bass-Tüfteleien – beispielsweise über ein Fußpedal gesteuert, die gespeicherten elektronischen Delays über mehrere Sekunden zu sampeln – idealerweise zu einem sich selbst begleitenden, faszinierenden Live-Dialog. Harmonien verschleifen und transformieren sich in mitunter verstörende Loop-Klangräume (Delirium), um nächstens für eine Weile zu schweigen (Silent for a while).
Fortsetzend mit einem kontemplativen Schweigen (Air), atmet Webers enigmatisches Bassspiel in Lust und Liebe zum Leben tief durch (Ready Out There). Once upon a Time gleichsam Ruf und Echo eines kraftvollen Bekenntnisses zu ihm.
03.12.2021