Eberhard Weber
Encore
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker |
Zum 75. Geburtstag von Eberhard Weber im Januar diesen Jahres erscheint nach seinem Erfolgsalbum Résumé von 2012 eine weitere Veröffentlichung, die demselben Produktionsmuster folgt: Encore. Ausdrücklich handelt es sich dabei nicht um ein Résumé 2, sondern um eine eigenständige Produktion. In den Liner Notes weist Eberhard Weber im Gespräch mit Karl Lippegaus darauf hin, dass es sich nicht um eine „Resteverwertung“ der Produktion Résumé handele. Bei der Vorbereitung für Résumé gab es einfach so viel Material, dass noch weitere publizierbare Stücke übrig waren. Obwohl vom Anspruch her ausdrücklich keine Doublette, folgt Encore demselben Entstehungsmuster. Lange Intros und Soli vom Ausnahmebassisten in seinen Konzerten mit Jan Garbarek aus den Jahren 1990 – 2007 werden ausgekoppelt und mit Live-Neueinspielungen unterlegt. Zwar sind nicht mehr wie bei Résumé Jan Garbarek und Michael DiPasqua für die Overdubs mit Saxophon und Drums zuständig, sondern auf der aktuellen CD der holländische Trompeter Ack van Rooyen auf seinem Lieblingsinstrument, dem Flügelhorn. Auch er war bereits 1974 beim Plattendebut mit dem United Jazz and Rock Ensemble mit Eberhard Weber dabei, hier treffen sich also alte Bekannte.
Nach seinem Schlaganfall ist Eberhard Weber nicht mehr in der Lage, Bass zu spielen. Bei Résumé und jetzt Encore nutzt der Musiker und Komponist seine bereits existierenden Bassaufnahmen aus fast zwei Jahrzehnten, die mit zusätzlichen Keyboardstimmen von ihm und mit dem Gastsolisten Ack van Rooyen überarbeitet werden – Karl Lippegaus spricht hier zurecht von einem „re-composing“, von einem mühsamen und bei Weber auch im Wortsinn jahrelangen Komponieren auf der Grundlage des eigenen Live-Materials. Entstanden sind 13 Aufnahmen, sie sind wieder nach den Städten der Ursprungsaufnahmen wie Frankfurt, Cambridge, London, Klagenfurt, Konstanz, Pamplona oder Hannover benannt und von ähnlich kurzer Dauer von 2:05 bis 4:30 Minuten.
Schon bei den ersten Tönen erkennt man den unverwechselbaren Sound Webers mit seinem Spezialbass, einem Upright-E-Bass mit zusätzlicher Saite und einem raffinierten Pick-Up – mit dem Effekt eines besonders tönenden, mit lang gehaltenen Tönen singenden Basses. Neben dem Sound trägt auch die Spielweise und die Produktionsform – wie bereits bei Résumé – zu einem ganz besonderen Hörerlebnis bei. Die spontanen Soli aus einem ganz anderen musikalischen Kontext mit neuem Material zu verfeinern, mit Flächen, mit Parallellinien und –phrasen zu versehen, z.B. einen Walking Bass mit sphärischen Hochtönen durch Bass und Keyboard zu über-tönen, mit Loops und Effekten zu arbeiten – das ist deutlich hörbar (spontan) komponiert und wohl durchdacht. Das Ergebnis ist in der Tat ein ganz besonders dichtes Soundgewebe, das ein enormes Klangspektrum des Weberschen Bassspiels vom satt-tiefen Grundton bis zur Singstimme und raffinierte Verzierungen durch das Keyboard zeigt. Zu dem rhythmischen, melodiösen klanglichen und man darf sagen: vokalen Kosmos von Eberhard Weber gesellt sich mit dem Flügelhorn von Ack van Rooyen ein kongenial trockener und elegischer Ton. Dieser trägt wunderbar zu dem melancholischen und stellenweise durchaus pathetisch-hymnischen Mood der gesamten CD bei.
Am 23. Januar wurde der 75-jährige Weber in seiner Geburtsstadt Stuttgart mit dem baden-württembergischen Landesjazzpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Und es gab zwei denkwürdige Jubiläumskonzerte für ihn mit den alten Weggefährten Pat Metheny, Jan Garbarek und Ralph Towner, mit Gary Burtin, Paul McCandless, Scott Colley und Danny Gottlieb und der SWR Big Band – erstmalig gemeinsam auf der Bühne zu Ehren von Eberhard Weber. Schade, dass wir nicht dabei sein konnten. Aber wir haben ja zumindest seine wunderbare Musik – und seine ebenfalls gerade erschienene Autobiographie – betitelt mit Résumé.
Eberhard Weber: Encore. ECM 2439
Eberhard Weber: Résumé - Eine deutsche Jazz-Geschichte. Sagas Edition, Stuttgart; 252 Seiten, 19,99 Euro