Dirk Raulf
Writ In Water
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Der umtriebige Wahl-Kölner Dirk Raulf - bekannt als Mitglied der Kölner Saxophon Mafia und mit seinen jüngsten Projekten etwa in dem Bass-Saxophon-Quartett Deep Schrott und dem Dirk Raulf Orchestra mit der Sängerin und Schauspielerin Meret Becker und seiner Mitarbeit in unzähligen Auftragskompositionen für Theater, Film, Fernsehen, Hörspiel und Tanz - hat jüngst ein Solo-Projekt, seine erste Solo-CD, veröffentlicht: „Writ In water“.
Nach dem Projekt 60 Minuten. Flussabwärts greift Dirk Raulf wieder das Thema Wasser auf, die 12 Stücke der CD mit dem Sopran- und dem Bass-Saxophon sind jetzt allerdings keine „Wasser“-Musik im engen Sinne. Der Bezug zum Wasser ist ein indirekter: Die Stücke sind dem Fluss von verschiedenen Improvisationskontexten an verschiedenen Aufführungsorten (z.B. Kirchen, Galerien, Wohnzimmern, Friedhof (!)) entnommen, in sich wirken sie geschlossen, eben als „Stücke“, was dem eigentlichen Bild des fließenden Kontinuums seiner Improvisation widerspricht. Trotz dieser auch hörbaren Diskontinuität etwa auch im Raumakustischen überzeugt die Auswahl der Titel: In seinen Eigenkompositionen wie 13th13th, Placing the Stakes, The Spat, Chamois oder Ridge A zeigt Dirk Raulf auf beiden Blasinstrumenten seine Instrumentalkunst: Die Zirkularatmung beherrscht er perfekt, er kann so mit minutenlangen Dauerarpeggien arbeiten und dabei einen Reichtum an funkelnden harmonischen und klanglichen Einfällen zeigen. Sein Bass-Sax klingt sehr obertonreich, die Flageolett-Läufe auf dem Blas-Jumbo lassen das Instrumentenmonster vergessen. Wie die Töne im obersten Register dann doch in den tiefen Basskeller rutschen und gleichzeitig verschiedene Klappen- und andere Geräuschen erzeugt werden, wie obertonreich das hohe Register in das tiefe changiert, bleibt das Geheimnis des Künstlers, das er auch im Interview mit nrwjazz nicht lüftet. Das Stück Black Smoker beginnt mit Atemgeräuschen und geht in einen hohen, quietschenden Dauerton über, der von Bass-Sax-typischen tiefen grundiert wird, ein rhythmisierter Groove mit Klappen gemahnt an ein Gewittergrummeln. Die Assoziation durch den Titel – bei black smoker handelt es sich um hydrothermale Tiefsee-Quellen mit vulkanischer Aktivität – passt sehr gut zu CD-Titel, Instrument und Raulfs Performance.
Neben den Eigenkompositionen interpretiert Dirk Raulf auf dem Sopran-Sax Stücke von völlig unterschiedlichen Künstlern wie Thelonious Monk (Hackensack/Well You Needn't), Sting (Fragile), Friedrich Hollaender (Wenn ich mir was wünschen dürfte) und – ja: Clint Eastwood (Gran Torino) sowie das norwegische Lied Bruremarsj. Sein kräftiger Sopran-Ton arbeitet dabei die bekannten Melodien geradezu elegisch heraus, Stings Fragile beginnt als Klagelied in Dudelsack-Manier und löst sich in Polyphonie auf, der Brautmarsch Bruremarsj erinnert in seiner raffinierten melodischen Einfachheit und intonatorischen Kraft an Albert Aylers Ghosts.
Writ in Water von Dirk Raulf erlaubt einen konzentrierten Blick auf einen äußerst konzentrierten Solisten, der ganz verschiedene musikalische Einflüsse von feinnervigem Jazz bis zum eher brachialen Heavy Metal in seinem klanglich-musikalisch vielseitigen und technisch raffinierten Solo-Spiel zusammenbringt.
Writ in Water poise LC 02189
www.dirkraulf.de
(Vgl. bei nrwjazz die CD-Rezension Deep Schrott |„The Dark Side Of Deep Schrott Vol. 1“ vom 11.1.2014 oder die Konzertreview Dirk Raulf Orchestra feat. Meret Becker und Deep Schrott vom 15.5.2014 oder die Besprechung des Konzerts des Trio Krank vom 24.2.2014.)