Der 20. Schnelldurchlauf!
Schon wieder neue Platten von Christoph Giese
TEXT: Christoph Giese |
Der CD Player unseres Autoren Christoph Giese kennt keinen Stillstand. Umso mehr neue Hör- und Neuerwerbs-Anregungen liefert der Schnelldurchlauf - aktuell in seiner 20. Ausgabe...
Matthias Schwengler: Soulcrane & Strings (Mons)
Jazzquartett & Streicher, das ist Soulcrane & Strings, der neue Wurf des Kölner Trompeters Matthias Schwengler. Eine Platte, die zur Entspannung am allerbesten gehört werden kann, ohne dass es dabei an spannenden Momenten fehlt. Aber der Grundton ist gedämpft, die Klangwelt warm, ruhig und herrlich dunkel gefärbt. Flügelhorn, Saxofon, Kontrabass, Gitarre auf der einen und die drei Celli und zwei Bratschen auf der anderen Seite liefern reiche harmonische und melodische Klangbilder, die sehr wohltuend wirken auf Körper und Geist.
Christian Muthspiel Orjazztra Vienna: Homecoming (Emarcy)
Christian Muthspiel: Diary 1989 – 2022 Selected Recordings (Emarcy)
Seine Karriere als Instrumentalist hat Christian Muthspiel Ende 2019 beendet um sich fortan um sein im gleichen Jahr neu gegründetes, 18-köpfiges Jazzorchester Orjazztra Vienna zu kümmern. Das im Frühjahr 2021 im Wiener Jazzclub Porgy & Bess wegen Corona ohne Publikum aufgenommene Doppelalbum Homecoming zeigt den ehemaligen Posaunisten und Pianisten als talentierten Bigband-Leiter und –Komponisten, der seinem jungen Ensemble moderne und äußerst interessante ,spannende Jazzstücke auf den Leib geschneidert hat, in denen sie als voluminöser Klangkörper, aber auch solistisch brillieren können. Das Diary 1989 –2022 dagegen ist anlässlich des 60. Geburtstages von Christian Muthspiel in diesem September eine von ihm selbst zusammengestellte Kompilation aus Aufnahmen der letzten 33 Jahre. 32 Stücke zeigen auf diesem Doppelalbum die ganze Vielfalt, stilistische Bandbreite und Neugier des Österreichers, der hier in unterschiedlichen Formationen, etwa in Duos mit seinem Bruder Wolfgang Muthspiel oder dem Bassisten Steve Swallow oder dem eigenen Trio zu hören ist.
Maik Krahl Quartet: In-Between Flow (Challenge)
Der in Köln lebende Trompeter Maik Krahl zählt zu den vielversprechenden Namen des jungen deutschen Jazz, was er auf seinem dritten Album eindrucksvoll unter Beweis stellt. Die acht von ihm selbst komponierten Stücke auf In-Between Flow klingen sicher nicht spektakulär, aber genau deshalb so wohltuend. Hier weiß einer wie man feinfühlige und dabei doch auch energievolle Jazzmusik mit starken Melodien und Geschichten schreibt und spielt - und den Hörer dabei auf unterschiedlichen Gefühls- und Stimmungsebenen abholt. Auf drei Stücken bekommt das exzellente Quartett Krahls noch Verstärkung von US-Gitarrist Kurt Rosenwinkel. Auch er ein Klangvisionär, dessen Zutaten hier ein gelungenes Werk abrunden.
Jennifer Hartswick: Something In The Water (Mack Avenue)
Was für ein Talent! Jennifer Hartswick singt verführerisch, spielt Tromepte und weiß auch noch Klasse-Songs zu komponieren. All das lässt sich nachhören auf auf ihrem vierten Album als Leaderin. Die Vollblutmusikerin hat für Something In The Water ein süffiges Programm zusammengestellt. Mit souligen Nummern, Songs mit Popappeal, Funk-Feeling, Balladen, Bluesigem und fetten Grooves. Für letztere sorgt ihr Labelboss Christian McBride höchstpersönlich auf seinem Tieftöner. Ob diese Platte auch Jazzpuristen zufriedenstellt? Vielleicht nicht, aber Musikliebhaber ohen Scheuklappen dürften ihren Spaß an dieser zudem sehr gut produzierten Produktion haben.
Cédric Hanriot: Time Is Color (Morphosis Arts)
Diese Musik entzieht sich geschickt einer Kategorisierung. Der Franzose Cédric Hanriot ist Jazzpianist, aber ebenso Soundkünstler. Mit seinem Trio mit Bassist Bertrand Beruard und Schlagzeiger Elie Martin-Charrière spielt er auf Time Is Color einen frischen, akustischen, mit elektronischen Texturen angereicherten Trio-Jazz. Aber diese Musik bietet noch mehr. Von den drei hier beteiligten Gästen auf Saxofon, Trompete und Vocals ist es vor allem US-Rapper Samuel Nash, der den herrlich urbanen Jazzmix mit seinem Sprechgesang prägt und immer wieder in eine andere, ziemlich lässige und coole Richtung führt.
Filipe Raposo: Øbsidiana – Trilogia Das Cores, Volume 2 (Lugre)
Nach Øcre vor drei Jahren ist Øbsidiana nun der zweite Teil einer musikalischen Trilogie von Filipe Raposo, die sich auf insgesamt drei Farben bezieht – Rot, Schwarz und Weiß. Drei symbolische Farben, die die Menschheit schon seit der klassischen Antike begleiten. Er habe schon immer Farben in der Musik gespürt, erklärt der Protagonist zu diesem ungewöhnlichen Projekt. Dieses Mal ist es nach Rot die Farbe Schwarz. Klingt das Klaviersolo-Werk des portugiesischen Pianisten deshalb düster? Nein, seine Improvisationen und sein feinfühliges Klavierspiel nehmen den Zuhörer auf faszinierende, nicht nur dunkel tönende Klangreisen mit, die viele Interpretationen ermöglichen. Das als Buch-CD aufwendig gestaltete Werk ist etwas ganz Besonderes und ein schönes, hochwertig gestaltetes Geschenk obendrein.
Carlo Mombelli: Lullaby For Planet Earth (Clap Your Hands)
Der südafrikanische Bassist Carlo Mombelli trifft auf Lullaby For Planet Earth auf den österreichischen Gitarristen Wolfgang Muthspiel und den spanischen Drummer und Vibrafonisten Jorge Rossy. Zu dritt spielen sie zarte, warm tönende Wiegenlieder mit viel Raum für Ruhe, Atmosphärisches und ihr so wunderbares, melodiöses Zusammenspiel. Singende E-Bass-Linien treffen auf meist sanft schwingende Gitarrennoten. Das Schlagzeug schafft Verbindungen zwischen den Saiteninstrumenten, das Vibrafon setzt Kontrapunkte. Einfach traumhaft schön.