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Debut von Els Vandeweyer

Solo-Album einer großartigen Performerin der improvisierten Musik

Berlin, 09.12.2019
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | 

Die in Berlin lebende belgische Vibraphonistin, Perkussionistin und Komponistin Els Vandeweyer ist in NRW keine unbekannte, ihre Live-Auftritte etwa in der Reihe Soundtrips NRW mit Martin Blume , Fred Van Hove und Paul Lovens hinterließen einen starken Eindruck ob ihrer performativen Präsenz und ihres instrumentellen Einfallsreichtums im Bereich der improvisierten Musik. Gespannt darf man deshalb auf ihr Solo-Album Debut sein, Anfang diesen Jahres anlässlich einer Live-Performance aufgenommen, es erscheint in diesen Tagen bei 90% Wasser Records auf Vinyl.

Das Album beginnt im sehr kurzen La Fin du Théâtre des Marionnettes im eher meditativen Hall, auch das Stück A.O.M. erzeugt zunächst einen vibrato- und sustainreichen Klangraum, der mit zupackender Schlagtechnik in ausgesprochen energische Läufe übergeht. In Betonplaten Straat arbeitet die Vibraphonistin mit einem Loop, der an die Rhythmisierung von Eisenbahngeräuschen erinnert, über den sie eine stringente Textur aus stur durchgespielten repetitiven Schlägen bis hin zu dunklen Klängen und kakophonisch-dissonanten Kaskaden von Vibraphon-Läufen legt. Pannonica adaptiert sehr frei den Monk-Klassiker, die vertrackten Rhythmen, eine bewusst „unästhetische“ eigenwillig-spröde Spielweise gepaart mit ausuferndem Ideenreichtun bei der Modulation und der Tonvielfalt treffen perfekt den Geist des Modern Jazz-Begründers und führen in eine wunderbare Variante der improvisierten Musik.

Auf der zweiten LP-Seite erzeugt Els Vandeweyer nach der kurz einstimmenden Preparation in Exhibition in einem spannenden Intro einen instrumententypischen metallenen Sound mit asiatisch anmutenden Idiomen, die in eruptiv-dynamische Muster übergehen. Ein erneuter Anlauf lässt mit Hilfe eines geschickt eingesetzten Sustains einen flächigen Eindruck entstehen, darüber legt ein perkussives Pattern einen verstörend-schönen Sound. Die Performance stellt weiter ganz unterschiedliche Geräusche aus, deren Quelle man nicht zuordnen kann, die Trickkiste für die Klangerzeugung erscheint unerschöpflich. Die Klangreise endet mit einem Tremolo, einem hohen modulierten Dauerton.

Mit ihren vier Schlägeln und einem allerlei „extended“ Arsenal aus Blechdosen und -platten, Sieb, Ketten etc., im wahrsten Sinne mit Hand und Fuß erzeugt Els Vandeweyer mit ihrem Vibraphon einen ganz eigenen Soundkosmos, der die Hörgewohnheiten um einen hochinteressanten Beitrag erweitert, ja den Wesenskern von improvisierter Musik im Sinne von unkonventioneller, immer neu sich erfindender Klangerzeugung trifft. Das Solo-Album macht neugierig auf die Live-Auftritte einer großartigen Musikerin und Performerin. Die beiden im Kontext des Liveauftritts aufgenommenen Youtube-Videos demonstrieren anschaulich den großen Körper- und Material-Einsatz, hör-, ja: erlebenswert!

Els Vandeweyer: Debut. 90%WASSER RECORDS 2019 ǀWVINYL 025 ǀ

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