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David Bindman, Michael Sarin, Stefan Bauer

Relative Motion

New York, 15.07.2022
TEXT: Stefan Pieper | 

Stefan Bauer, David Bindman und Michael Sarin pflegen auf ihrem aktuellen Album "Relative Motion" den herrschaftsfreien Diskurs.

New York im Frühjahr 2020. Stefan Bauer nimmt mit allen Sinnen in seiner Wahlheimat Brooklyn alle Impressionen einer Weltmetropole unter dem Corona-Lockdown auf. Mit der Kamera hat er viele Plätze im Rahmen eines Videoprojekts dokumentiert. Frei wuchernde kompositorische Ideen, genährt von einer durch den Ausnahmezustand beflügelten Fantasie teilt er auf der CD „Relative Motion“ mit dem Saxofonisten David Bindman und dem Schlagzeuger Michael Sarin.

Alle drei sind schon lange als Trio miteinander eingespielt. Bindman macht als Bandleader mit vielen Formationen in New York von sich reden, ebenso reich vernetzt, vor allem in der freier improvisierenden Szene ist der aus Seattle stammenden Michael Sarin.

Bindman zeichnet als Initiator des Projekt für mehr als die Hälfte der Stücke verantwortlich. Drei Stücke wiederum kommen aus der Feder von Stefan Bauer. Vor allem aber zählt hier, was im fließenden, assoziativ offenen Diskurs zwischen den drei Spielern daraus erwächst. Die Variabilität resultiert allein aus der Instrumentierung. Das Marimbafon ist als Schlag-, Melodie- und Harmonieinstrument in alle Richtungen offen. Sein erfahrener Spieler Stefan Bauer zeigt sich wie kaum jemand sonst in der improvisiertem Musik offen für diese Bandbreite. Für Michael Sarin sind die Grenzen denkbar fließend, um daran anzudocken, was auch für die melodischen, nicht selten in losem Unisono fantasievoll gesponnenen Linien des „Reed Players“ David Bindman gilt – auch, wenn dieser vom Tenor- und Altosax zur Flöte wechselt.

Das alles wirkt garnicht so sehr dystopisch, sondern eher wie eine lebendige, von flüssigen Texturen getragene Konversation auf höherer Ebene. Überraschende Hörerlebnisse sind hier genug vorprogrammiert, weil sich das Trio auf vielfältige Ansätze zu besinnen weiß: Zum Beispiel wirkt das Stück „Lights Receding“ von amerikanischer Minimal Music inspiriert, um dann aber weit darüber hinaus zu gehen. Die modale Struktur eines afrikanischen Balafonspielers wirkt im Hintergrund bei Stefan Bauers über zehnminütigem Stück „Time Frames“.

Trotz so vieler Ideen in der Waagschale wird auf „Relative Motion“ nie um Diskursmacht gerungen - stattdessen pflegen Stefan Bauer, Michael Sarin und David Bindman ihr großes Ganzes denkbar herrschaftsfrei. Die Logik des anderen erfassen, weitertragen und beantworten - und dabei freigeistig aus einem neutönerisch beflügelten zeitgenössischen Jazzidiom schöpfen. Dem Trio gelingt hier eine traumwandlerische Balance, in der nie Gefahr besteht, dass das reichlich vorhandene Intellektuelle womöglich das Atmosphärische an die Wand drückt.



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