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Daniel Erdmann’s Velvet Revolution

Won`t Put No Flag Out

Paris, 24.05.2020
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | 

Wann hat man je eine Formation erlebt, die Saxophon, Geige und Vibraphon zusammenbringt – und dabei eine so feinsinnige Musik produziert, wie es jetzt Daniel Erdmann mit seiner Band Velvet Revolution und dem zweiten Album in dieser Besetzung Won’t Put No Flag Out gelingt?

Nach dem bejubelten und mehrfach dekorierten Debüt des deutsch-französisch-britischen Trios A Short Moment of Zero G aus dem Jahre 2016 ist man gespannt auf das neue Album der „samtenen Revolution“ – der Bandname dürfte als anspielende Würdigung des gewaltfreien Umsturzes in der Tschechoslowakei 1989 gemeint sein und auf den Anspruch der Gruppe einer musikalisch-stilistischen Erneuerung verweisen. Und diesem wird das Album voll und ganz gerecht: Gemeinsam mit dem Vibraphonisten Jim Hart und Théo Ceccaldi an der Violine und Bratsche erzeugt der Saxophonist zwölf großartige kleine Stücke, die es in sich haben, was ihr harmonisch-rhythmisches und improvisatorisches Raffinement, ihr perfekt umgesetzter kammermusikalischer Ansatz angeht.

Bereits der Opener mit dem Titelstück der CD zeigt die Blaupause für diesen Zugang: Ein gitarrenähnliches Pizzicato-Riff auf der Violine gibt ein einfaches Thema vor, das von dem Trio zu einer hymnisch-expressiven Improvisation verdichtet wird. Bis auf die Adaption von einem rhythmisch akzentuierten Over the Rainbow stammen die Titel der CD aus der Feder von Daniel Erdmann. Sie sind musikalische Short Cuts, basierend auf repetitiven Mustern, die die drei Musiker in unterschiedlicher Besetzung unisono vortragen, um sie klanglich und improvisatorisch zu entfalten. So entstehen ganz unterschiedliche Miniaturen und Modulationen wie etwa das quirlige, tanzbare La Tigresse, das ruhig-elegische Give the Soul Some Rest, das abstrakte Abstract Love Song oder das liedhafte Outcast. Die Interaktionen der Bandpartner lassen dabei aus geradezu minimalistischem Ausgangsmaterial ein komplexes Klanggeflecht mit virtuosen Soli entstehen. Der rauchige Ton aus Daniel Erdmanns Tenorsaxophon ist in seinem erdigen, bluesigen Timbre und seiner exklamatorischen Kraft einfach umwerfend schön und unverwechselbar. So ungewöhnlich die Besetzung, so ungewöhnlich eigenwillig und kunstfertig sind stilistische Einfälle und Sound von Won’t Put No Flag Out – ein sublimer Kammerjazz vom Feinsten.

Daniel Erdmann’s Velvet Revolution. Featuring Théo Ceccaldi & Jim Hart: Won’t Put No Flag Out. Budapest Music Center Records 2019. BMC CD 282

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