Cornelius Claudio Kreusch und Joscho Stephan
High Wire
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: D. Schneider, M. Pollert
Joscho Stephan und Cornelius Claudio Kreusch haben als Duo am 22. Februar das neue Album ‚High Wire‘ herausgebracht. ‚High Wire‘ bedeutet Hochseil, deshalb könnte man auch von einem Hochseilakt sprechen, denn nur Piano und Gitarre, das ist kein alltägliches Line Up im Jazz. Wie geht das zusammen?
Auf ihrem neuen Album spielen die beiden berühmte Jazzstandards wie ‚All Blues’ (Miles Davis), „Blue Bossa“ (Dorham/Henderson) und „Giant Steps“ (John Coltrane).
Die anderen Stücke des Albums sind die wichtigsten und persönlichsten Kompositionen aus Kreuschs Karriere. Bei der Vergabe der Titel kommt Kreuschs ganze Familie zum Zuge, die Kinder ‚Lior‘, ‚Aeneas‘, ‚Caira‘ und ‚Isaya’ und auch Kreuschs Eltern werden bedacht. ‚For my father‘ ist deshalb nicht mit Horace Silvers ‚Song for my Father‘ zu verwechseln. Lange Pianoläufe leiten das Stück ein, in dem die Melodie häufig wiederholt wird. Joscho Stephan zeigt sein Können mit Pickings, Rhythmus-Akkorden, wilden Läufen und Vibrato. Der sehr ruhige und melodische ‚Source Song‘ gegen Ende des Albums ist Kreuschs Mutter gewidmet, hier ergänzen sich Piano und Gitarre in idealer Weise.
Die Dominanz des Pianisten zeigt sich nicht nur bei den Kompositionen. ‚Paco – Tribute to Paco de Lucia‘ hat Kreusch an Pacos Todestag geschrieben. Das Stück beginnt mit gewichtigen Blockakkorden, rhythmisch unterstützt von Joscho im Stil einer Schlaggitarre. Wo ist da der Flamenco, wo das spanische Flair, wo Paco de Lucia? Es dominiert das Piano mit einer Melodie, die nicht gerade an Flamenco erinnert. Vielleicht soll sie nur die Trauer über den Tod von Paco ausdrücken? Joschos Gitarre kommt jedenfalls kaum rüber, dazu sind die Akkorde des Pianos viel zu dominant. Vielleicht zeigt sich hier die Haltung eines Pianisten, der in einem Solokonzert ganze Hallen allein bespielen kann, dem es aber schwerfällt, sich auch mal zurückzunehmen?
Cornelius Claudio Kreusch
Joscho Stephan ist in NRW als Gitarrist bekannt, weniger der Pianist Cornelius Claudio Kreusch, der meist in New York lebt. Kreusch ist in Bayern aufgewachsen und lebt seit 1993 in New York, wo er an der Manhattan School of Music seinen Master in Musik machte. In den USA hat er mit berühmten Musikern wie Bobby Watson, Kenny Garrett und Salif Keïta zusammengearbeitet. In Deutschland war er erfolgreich mit den Alben ‚Scoop‘ und ‚Live! At Steinway Hall / New York‘ (2000). In letzter Zeit spielt er vor allem Solokonzerte.
HIGH WIRE – Drahtseilakt gelungen?
Bei den meisten Stücken wird anfangs die Melodie vorgestellt und oft wiederholt, um nach einer Folge von Soli wieder aufgenommen zu werden. Da wäre mit einem Trio oder einem Quartett mehr Abwechslung möglich gewesen, auch wenn die Vieleitigkeit, besonders von Joscho, allerhand Bewegung einbringt.
HIGH WIRE – ist der Drahtseilakt gelungen? Nicht immer, muss man sagen, denn manchmal scheint das Gleichgewicht gefährdet und der Gitarrist Mühe hat Mühe nicht abzustürzen.
Cornelius Claudio Kreusch & Joscho Stephan - HIGH WIRE
GLM / Fine Music FM 413-2 / 4014063441324 / LC11188
Vertrieb: EDEL / Kontor New Media
VÖ: 21.02.2025