Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 15
Neue Alben aus aller Welt
TEXT: Christoph Giese |
Spannende internationale Album-Neuerscheinungen stimmen musikalisch auf den Sommer ein. Christoph sorgt im Schnelldurchlauf für Überblick und kompetente Beurteilung...
Tigran Hamasyan: StandArt (Nonesuch)
Als Interpret von Jazzstandards ist der armenische Pianist nicht gerade bekannt, aber hier hat Tigran Hamasyan neun davon neu eingespielt. Im Trio und mit namhaften Gästen, Trompeter Ambrose Akinmusire und den beiden Saxofonisten Joshua Redman und Mark Turner. Und StandArt zeigt eindrucksvoll: Hamasyan weiß auch klassisches Jazzrepertoire in schillernde, aufregende Musik zu verwandeln.
Phraim: Hysteria (QFTF)
Atmosphärische Musik, fragile Momente, lyrische Texte, aber auch zupackende Grooves zeichnet das schweiz-österreichische Quartett Phraim aus, das mit Hysteriadas dritte gemeinsame Album veröffentlicht, welches ganz und gar nicht hysterisch klingt, sondern mit feinem, popgetränkten Songwriting und dem Gesang und Texten von Sängerin Nina Reiter verwöhnt.
Yelena Eckemoff: I Am A Stranger In This World (L&H)
Die ungemein produktive Pianistin Yelena Eckemoff präsentiert auf diesem Doppelalbum wieder Vertonungen biblischer Psalmen, die sie geschickt in den Jazz und dieses Mal auch in den Blues überführt. Und unterstützt von einer exquisiten Jazzband mit Cracks wie Trompeter Ralph Alessi, den Gitarristen Adam Rogers und Ben Monder oder den Drummern Joey Baron und Nasheet Waits gelingt ihr das auf interessante und berührende Weise.
Melody Gardot & Philippe Baden Powell: Entre Eux Deux (Decca)
Baden Powells Sohnemann Philippe Baden Powell am Klavier und die famose Melody Gardot am Mikrofon, mehr braucht es hier nicht um ein intimes Album mit überwiegend eigenen Liedern auf Englisch und Französisch aufzunehmen und mit großen Gefühlen die Seele beim Zuhören zu massieren. Übers Balladentempo geht es dabei nie hinaus. Aber warum auch. Wer so im gemäßigten Tempo spielen und singen kann wie diese beiden, der kann das auch zehn Stücke hintereinander ohne zu langweilen.
Theo Pascal: Quamundos 2 (Galileo MC)
Der portugiesische Bassist und Tausendsassa Theo Pascal präsentiert hier sein ganz eigenes lusophones Musikuniversum, wo sich kapverdische und andere Rhythmen auf Funkiges und Freies, Sprech- und Geräuschschnipsel und kurze Gesangspassagen treffen. Ein brodelnder Soundkosmos, der aber dennoch nie überbordet, sondern schön strukturiert zu spannenden Hörabenteuern einlädt.
Mísia: Animal Sentimental (Galileo MC)
Noch was Lusophones: Die etwas andere Fadista Mísia hat den Fado spürbar im Blut und in der Stimme. Viele Songs auf Animal Sentimental sind wunderbar melancholische, verträumte und berührende Fados, aber ihre zeitgenössischen Gedichtvertonungen gehen über dieses Genre auch hinaus. Produziert vom preisgekrönten deutschen Toningenieur Wolf-Dieter Karwatky ist ein absolutes Meisterwerk der 66-Jährigen Sängerin entstanden.
Raf Vilar: Clichê (Ajabu!)
Aus Brasilien kommt Raf Vilar. Der Sänger und Songwriter serviert hier einen süffigen Mix aus traditionellen brasilianischen Rhythmen und Folk-Pop, mit Einflüssen des Bossa Nova oder des Tropicalismo. Vilar´s sanfter Gesang, Gitarre, Bass und Perkussion sind die Basis der gefühlvollen Songs dieses Albums, das nur einen kleinen Makel hat: dass es nach gut 35 Minuten leider schon ausklingt.
Olga Reznichenko Trio: Somnambule (Traumton)
Ihr Faible für russische Spätromantik ist hier zu spüren, aber auch die Lust am zeitgenössischen Jazz. Die in Russland geborene, aber 2012 nach Leipzig gezogene Pianistin Olga Reznichenko weiß diese beiden Vorlieben schlafwandlerisch zu verbinden mit ihrem Trio. Ein gewisser Schwermut zeichnet die Songs auf Somnambule aus, eine Schwermut, die aber wundervoll klingt. Weil das Trio hier viele Klangfelder auslotet, eine große Klangfarbigkeit bietet und virtuos gemeinsam als kompakte Einheit auftritt.
Nduduzo Makhathini: In The Spirit Of Ntu (Blue Note Africa)
Die erste Veröffentlichung auf dem neuen Sublabel der berühmten US-Plattenfirma Blue Note ist In The Spirit Of Ntu von Nduduzo Makhathini. Mit einer Band aus aufregenden jungen Musikern Südafrikas liefert der südafrikanische Pianist ein kosmisches, spirituelles Album ab, auf dem er seinen Vorbildern wie John Coltrane, Bheki Mseleku oder McCoy Tyner, aber auch seinen südafrikanischen Wurzeln in zehn mitreißenden Tracks Tribut zollt.