‚Chordeograph’ von Gero Koenig
Spannender Klangkosmos mit umgebautem Flügel
TEXT: Heinrch Brinkmöller-Becker |
Man stelle den Rahmen eines Flügels - befreit von Tastatur und Hämmern - aufrecht und bearbeite die Saiten mit Leisten aus Metall, Holz und allerlei Kunststoffen. Dies ist in Kürze die Rezeptur des Komponisten und Performers Gero Koenig, der seit Jahren die Techniken des Inside Piano Playing konsequent weiter entwickelt und mit seinem „Chordeograph“ einen Flügel zu einem neuen Instrument modifiziert. Na ja, so ganz einfach ist die Sache nicht. Gero Koenig hat die Ursprungsidee des aufrechten Flügelkorpus’ weiter verfolgt, bei der Weiterentwicklung seines Instruments sind alle Komponenten einschließlich der Saiten neu konstruiert bzw. berechnet, in Kooperation mit verschiedenen Technikern gefertigt und in einem jahrelangen trial and error-Prozess getestet.
Seine erste CD mit dem neuen Instrument ist nach diesem benannt und führt uns mit seinen 13 Tracks in eine verblüffende Klangwelt, die man bisher eher in den Hexenküchen der digitalen Klangerzeugung verortete. Dem Kölner Komponisten gelingen mit analogen Mitteln in knapp 48 Minuten geheimnisvoll kosmische Klangräume, sphärische Spannungszustände, dynamisch auf- und abschwellende Disharmonien, Toncluster, an Chorgesänge gemahnende Polyphonie, mikrotonale Verschiebungen, mal tieffrequentes dumpfes Brausen einer geheimnisvollen Götterwelt, ein paralleles Schwirren, mal hochfrequente Stimmen an der Grenze des Erträglichen, Windfauchen, ... Gero Koenig generiert einen wundersam astralen Klangkosmos, der die Klaviersaiten mit verschiedenem Material zu modellieren versteht und dabei obertonreiche Schwingungen in einer klangreichen und ausgesprochen vielschichtigen Sprache erzeugt: Industrieklänge, Noise, orchestrale Wucht, fein ziselierte Mikrotonalität, all das enthält Gero Koenigs Klangzauberei. Von vertrauten musikalischen Parametern wie Melodie, Rhythmus und Harmonie ist dieses mysteriöse Soundgewebe frei, vielmehr entführt uns Gero Koenig in eine variantenreiche Daueroszillation. Die tiefe Weisheit der Etymologie erschließt sich bei Chordeograph: Das griechische tónos bedeutet Saite, Ton und Spannung, bei der analogen Praxis, ursprünglich den Rahmen eines Flügels mit seinen Saiten zum Schwingen zu bringen, erzeugt Gero Koenig ein wahrlich spannungsgeladenes und spannendes Klangexperiment.
Gero Koenig: Chordeograph
NURNICHTNUR 2015
16,90 € inkl. Versandkosten