CD Lulo Reinhardt, Yuliya Lonskaya, Daniel Stelter Trio
Live @ Lulo Reinhardt Acoustic Lounge
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Victoria Page
Lulo Reinhardt und Yuliya Lonskaya sind Mitte März, kurz vor der Corona-Krise, als Duo im Bochum Kulturrat aufgetreten und haben einige Stücke ihrer erst jetzt im April erschienen CD präsentiert. Darauf bilden bilden sie zusammen mit Daniel Stelter ein Gitarren Trio.
Wenn man die Musik einer Gruppe über ein Medium gehört hat und die Band dann live erlebt, ist man oft begeistert, weil bei einem Konzert oft eine Art Beziehung zwischen Musiker und Zuhörer entsteht. Wenn man dagegen zuerst die Band erlebt und danach die CD hört‚ fehlt irgendwie etwas. Ein wenig Konzert-Atmosphäre findet sich aber auch auf dieser Live-CD. Sie ist kein Konzept-Album, einige Stücke sind schon vorher auf anderen Alben erschienen. Trotzdem bilden die Stücke in gewissem Sinne eine Einheit, wie schon das erste Stück deutlich macht.
SEESAW, eine Komposition von Daniel Stelter, bedeutet ‚Wippe‘ oder ‚Schaukel‘. Stelter beginnt mit gezupfter Mandoline und macht den Zuhörer neugierig, was da noch kommen mag. Beim weiteren Hinhören meint man vielleicht die Auf- und Ab-Bewegung der Schaukel auch in der Musik wiederzufinden. Die drei Gitarren changieren in Bezug auf Rhythmus, Melodie- und Solospiel. Aber auch Genres und Klangfarben wechseln von Lied zu Lied, oft auch innerhalb eines Songs von klassischem Gitarrenflair über Flamenco- und Gypsy-Gitarre bis hin zu Balalaika-ähnlichen Passagen.
Lulo Reinhardt (Gitarre) ist im Gypsy-Jazz berühmt und braucht hier nicht mehr vorgestellt zu werden. Er ist bekannt für sein virtuoses Gitarrenspiel und seine genreverbindende Musik.
Daniel Stelter (Gitarre, Mandoline) ist sehr vielseitig, er komponiert, kann Jazz, Pop und Klassik und wurde zunächst als Sideman geschätzt. Als Jazz-Gitarrist leitet er nun auch das Daniel Stelter Quartett.
Yuliya Lonskaya (klassische Gitarre, Gesang) ist in Weißrussland geboren. Sie hat in Minsk und Karlsruhe klassische Gitarre studiert und ist oft in Russland mit bedeutenden Orchestern aufgetreten. Mit Lulo spielt sie seit 2017. Erst vor einem Jahr erschien das Album Lulo Reinhardt Feat. Yuliya Lonskaya (s.u.).
Die Stücke der CD sind auf den ersten Blick sehr unterschiedlich, schon die russisch-, englisch-, französisch-, spanischsprachigen Titel weisen darauf hin. Die russische Romanze (Pojalei..) , Libertango, Mar y Sol, Cuban Flair Oblivion/J'oublie, Magdalena klingen ähnlich wie beim Konzert und wurden schon in der Review besprochen. So fallen die von Daniel Stelter komponierten Songs besonders auf.
A Bientot - französisch ‚Bis bald‘ - klingt wie ein Abschied, traurig wegen einer Trennung, aber auch fröhlich-hoffnungsvoll, weil das Wiedersehen in Aussicht steht. Das Lied hat eine ähnliche Grundstimmung wie die Russische Romanze, klingt nur etwas fröhlicher; auch mit einem Text könnte man sich das gut vorstellen.
River Rhine: wenn man einmal am Mittelrhein war, dann hat man bei dieser Musik den Fluss vor Augen, wie er gemächlich, aber mächtig dahinfließt und die Schiffe auf ihm gleiten Richtung Meer. Nicht zufällig kommt Stelter aus Ingelheim am Rhein.
Alfonsina y el Mar ist ein ganz besonderes Lied, das von Felix Luna und Ramirez Zamba verfasst und 1969 zum ersten Mal von Mercedes Sosa gesungen wurde. Es ist inzwischen in Argentinien sehr bekannt und handelt von der Dichterin Alfonsina Storni, deren Suizid im Songtitel angesprochen wird. Yuliya Lonskaya singt den langen spanischen Text eindrucksvoll, vielleicht ist das Spanische vom Russischen klanglich gar nicht so weit entfernt?
Auch Lulos thematisch sehr düstere Memories of Dachau klingt gar nicht so abgründig, es vermittelt - wie das ganze Album - eher das Gefühl, dass trotz aller Katastrophen das Leben weitergeht und wieder gut werden kann.
Das hoffen wir im Moment auch wegen Corona. Vielleicht kann uns die Musik ja dabei ein wenig helfen.
- Lulo Reinhardt, Yuliya Lonskaya, Daniel Stelter Trio
Live @ Lulo Reinhardt Acoustic Lounge
Label: DMG April 2020
- Lulo Reinhardt Feat. Yuliya Lonskaya
Label: DMG März 2019 (Cover links unten)