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Brot & Sterne

Tales of Wanderlust

Marl, 12.04.2020
TEXT: Stefan Pieper | 

Manchmal verzögert sich das Rezensieren einer Platte, weil ihre Wirkung zu umfassend ist, um das Gehörte allzu schnell in Wortschubladen einzuordnen. „Tales of Wanderlust“, das neue Release des österreichischen Trios „Brot und Sterne“ gelang es auf Anhieb, sich aus diesem Prozess zu emanzipieren und erklang über viele Monate immer wieder.

Franz Hautzinger, Peter Rosmanith und Matthias Loibner zogen sich in die abgelegene Burgunder Wahlheimat Hautzingers zurück, entsagten allen urbanen Ablenkungsfaktoren, waren also für sich allein mit ihren Instrumenten, hatten nichtmals eigene Stücke geschrieben vorher. Allein die Atmosphäre des Ortes und die Emotion des Moments waren hier Material genug.

Die Besetzung ist singulär: Franz Hautzinger erweist sich auf seiner Vierteltontrompete allen Abenteuern in freigeistigem Jazz und Neuer Musik offen. Ihm zur Zeite stehen der Perkussionpieler Peter Rosmanith, der hier vor allem den Hang, jenes schweizerische Steeldrum-artige Instrument favorisiert, sowie Matthias Loibner, der auf einer uralten Drehleier, „Hurdy Gurdy“ genannt, seidig schimmernde Klangwelten erzeugt. Die Stücke sind herrlich unkategorisierbar, favorisieren den freien Atem. Das verdichtet sich in offenen meditativen Prozessen, sorgt in latent orientalischen oder subtil folkloresken Passagen für Trancezustände, bringt zuhauf ungeahnte Ausdrucksmöglichkeiten ins Spiel - und ist dann aber auch immer wieder verblüffend lyrisch und melodiös! Hautzingers experimentierfreudiges, zugleich extrem virtuoses Trompetenspiel steigert sich oft in flirrende Ketten aus Mikrointervallen hinein. Kaum weniger wandelbar offenbaren sich die Potenziale der Drehleier, die sich mal wie ein flächiges Harmonieinstrument ausbreitet, aber auch wie eine im Flagolett gespielte Violine daher kommen kann. Ständigt markiert der Hang, mit seinem hellen, singenden Klangimpulsen eine faszinierende Schnittstelle zwischen Rhythmus- und Melodie-Instrument. So frei ausufernd und mit faszinierenden Details gesättigt die Klangsprache dieses Trios wirkt, so sehr pflegen die Stücke eine Balance, die sich in allen erdenklichen Hörkontexten immer wieder erneuert – und gerade das zeichnet ein starkes Album, das nachhaltig wirkt, nun mal aus!

Durchaus lassen sich einschläge Referenzen heraushören: Wie Hauzingers Trompete in einer luftig-exotischen Klkangsinnlichkeit aufgeht, erinnert diese durchaus mal an Don Cherrys Band „Codona“ – die heutigen Qualitäten dieser „Tales of Wanderlust“ stehen dem kaum nach.

Traumton Records 2020

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