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Break Stuff Is Great Stuff

Break Stuff des Vijay Iyer-Trios bei ECM erschienen

Bochum, 09.03.2015
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | 

diese doch von allen Seiten einhellig als außerordentlich gerühmt worden – und dies ist kein Wunder bei einem ohnehin außerordentlichen Trio. Dessen Namensgeber, der indisch-stämmige, hoch dekorierte US-Amerikaner Viyjay Iyer, ist ebenfalls außerordentlich, er ist wahrhaft ein Multitalent: klassisch ausgebildeter Geiger, hochgeachteter Jazzpianist, Mathematiker, promoviert in interdisziplinärer Forschung über Musik und Harvard-Professor – und weltweit als einer der interessantesten Vertreter einer jüngeren Jazz-Generation anerkannt.

Warum die hohe globale Anerkennung gerechtfertigt ist, hört man der ersten CD-Veröffentlichung des Trios jetzt bei ECM deutlich an. Das bereits seit elf Jahren bestehende Trio mit Vijay Iyer am Piano, Stephan Crump am Kontrabass und dem Drummer Marcus Gilmore bezieht auf subtile und raffinierte Weise eine musikalische Vielfalt ganz verschiedener Musikidiome in sein Spiel ein – und überführt die verschiedenen Bezugsquellen trotzdem in die typische Sprache eines Jazztrios. So knüpft Iyer – wie bereits bei seiner Solo-CD Solo (2010) – an die Jazztradition an: Mit Work an Thelonious Monk mit virtuoser Finesse gegenüber dem Original, mit einem wunderbaren Solostück Blood Count, der letzten Komposition von Billy Strayhorn, von der Iyer meint, das Nachdenken Strayhorns über die eigene Sterblichkeit herauszuhören, oder mit Countdown, dem John Coltrane-Stück aus der Giant Steps-Ära mit einer raffinierten westafrikanischen rhythmischen Grundstruktur. Die drei „Vögel“-Stücke – Starlings, Geese, Wrens – entstammen dem Open city-Projekt, eigentlich sind sie für ein großes Ensemble konzipiert. Sie sind nach Iyers Aussage eine Reflexion über die Vögel New Yorks, über Migration, Immigration und über (ethnische) Differenzen. Die Reduktion auf die Möglichkeiten eines Trios skelletieren diese musikalische Aussage auf das Wesentliche und damit auf den musikalischen Kern – grandios.

Eine dritte „Linie“ enthält die CD mit dem Spiel mit rhythmischen Mustern. Die Vorliebe Iyers für Vorbilder in diesem Bereich erstrecken sich von James Brown, Jimi Hendrix, Miles Davis, Charlie Parker bis hin zu südindischen Rhythmen: In Mystery Woman adaptiert das Trio ein Rhythmus-Pattern der karnatischen Mridangam-Virtuosin Rajna Swaminathan. Hood greift das Idiom des Detroiter Produzenten und DJs Robert Hood mit seinem ‚minimal techno‘ auf, das Trio arbeitet hier minimalistisch, es verändert das Material mit subtilen rhythmischen und harmonischen Verschiebungen und erzeugt damit eine dem Repetitiven innewohnende suggestive Wirkung. Das ist zum Teil mathematisch gedacht und programmiert, es erzeugt allerdings in seinem Raffinement das Gegenteil von seelenloser Wumwum-Ästhetik.

Was auch immer das Trio für Vorbilder hat und an Traditionslinien aufgreift: Es geht mit dem Ausgangsmaterial so geschickt und raffiniert um, dass die nicht-jazzigen transformierten musikalischen Formen und Spielweisen ohne weiteres als Jazz identifiziert werden. Die Kunst Iyers besteht darin, seine vielfältigen Inspirationsquellen zu etwas Neuem in einer traditionellen Musiksprache zusammenzubringen, die konventionellen Grenzen des Jazz ein Stück zu neuer Komplexität zu verschieben, ohne sich einer gerade modischen Richtung oder einem Globalisierungsdruck anzupassen. Der großartige Peter Rüedi nannte dies in seiner Besprechung der CD Historicity des gleichen Trios „Erinnerungen an den Jazz von morgen“. Diese Einschätzung trifft erst recht auf Break Stuff zu.

Die CD bedeutet insgesamt keinen Break, keine Pause in dem Schaffen des Multitalents, sondern eindeutig eine Weiterentwicklung eines ohnehin ausgesprochen reifen Trios. Sie lässt an vielen Stellen den musikalischen Sinn von einer Pause deutlich werden. Für Vijay Iyer ist ein Break “ein Handlungszeitraum und die Voraussetzung für Breakdowns, Breakbeats und Breakdance – es kann der Moment sein, wenn alle Dinge lebendig werden.“ Das, was auf Break Stuff passiert, ist vom ersten bis letzten Ton und den Pausen dazwischen äußerst lebendig, it’s great stuff.

Im Frühjahr 2015 ist leider kein Auftritt des Trios in NRW vorgesehen, aber wir können weiter auf einen Live-Auftritt hier hoffen – und uns bis dahin an der CD erfreuen.

Vijay Iyer Trio: Break Stuff ECM 2420

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