Black Pencil
„Come out Caioni“
TEXT: Stefan Pieper |
In der niederländische Musikszene tun sich immer wieder Überraschungen auf. Liegt es an der traditionellen Weltoffenheit dieses kleinen Landes? Das international besetzte Ensemble „Black Pencil“ vereint auf seinem neuesten Album Come out Caioni ein Musikantentum aus dem 17. Jahrhundert mit einer bestechenden Klangfinesse, die aus dem Heute kommt.
Am Anfang dieses Projektes stand die Entdeckung des Codex Caioni aus Transsylvanien - einer musikalischen Quellensammlung ohne Beispiel, zusammengetragen und für die Nachwelt erhalten vom Mönchen Johannes Caioni im 17. Jahrhundert. Die Mitglieder von „Black Pencil“ rückten dem bereits seit 1993 wieder vorliegenden Material zu Leibe, studierten die Handschrift und ließen die überlieferten kirchlichen Werke, Tänze im westeuropäischen und regionalen Stil, Instrumentalstücke und Motetten auf sich wirken. Mehr noch, sie spielten das Material gründlich durch, um dann ein Ranking bei der musikalischen Qualität zu erstellen, dessen finale Auswahl das vorliegende Album bildet.
Jorge Isaac (Blockflöte), Matthijs Koene (Panflöte), Esra Pehlivanli (Viola), Marko Kassl (Accordeon) und Enrico Monfort (Percussion) betreiben auf diesem Album alles andere als staubtrockene Archäologie. Es fängt fröhlich und unverfänglich an, getragen von federnd-perkussiver Rhythmik, was gerade zu Anfang noch wie eine Unterhaltungsmusik anmutet, die sogar noch relative nah am Mittelalter dran ist. Aber der musikalische Lauf wird komplexer. Flöte und Akkordeon beginnen polyphone Dialoge, in welche die anderen Instrumente einstimmen. Ein Schottischer Tanz mit seinem markigen Bordun könnte heute fast als Minimal Music durchgehen. Auch tief ergreifende Klagegesänge haben ihren Platz, wenn die Mitglieder von Black Pencil mit breitem imaginären Pinselstrich die Klangfarben ausbreiten und improvisatorisch, manchmal auch rezitativisch auf ihren Instrumenten „singen“. Mystisch-erhaben wirken diese Instrumentalgesänge ohnehin, allein, weil die Stimmführung dieser alten Musik aus Osteuropa so manchen Geniestreich offenbart.
Diese Musik ist komplexer, als sie sich anhört
Erfahrbar wird, wie das Ensemble diesen musikologischen Schatz für temperamentvolle Improvisation und leichtfüßige musikalischen Heiterkeit zu nutzen weiß. Immer wieder ist es der Sound dieser an sich unterschiedlichen Instrumente, welcher zu verblüffenden Einheiten zusammenwächst, dass man schon ins Überlegen kommt, was denn nun gerade von welchem Instrument ausgeht. Diese Musik ist komplexer, als sie beim ersten ersten Höreindruck wirkt. Faszinierend allein, welch subtile harmonische Teppiche hier von einem Vibraphon ausgehen, ebenso, wie Matthijs Koenes mit einer riesengroßen Bass-Panflöte für Klangfülle untenherum sorgt. Das gibt auch den vielseitigen Einsätzen von Blockflöte, Akkordeon und Viola entsprechende Leuchtkraft, aber auch hier steht nie eine Einzelstimme im Rampenlicht, sondern dient alles dem wandlungsfähigen Ensembleklang, der hier auch mit bestechender Aufnahme-Realisation eingefangen worden ist.