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Bill Frisell Trio

'Orchestras'

Brüssel, 04.04.2024
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Matthew Septimus

Bill Frisell ist mal wieder weltweit unterwegs, zweimal in Deutschland: am 9.5. Berlin und – das grenzt schon fast an ein Wunder – am 13.5. im Ebertbad in Oberhausen - eine Ehre für diese Spielstätte und für das ganze Ruhrgebiet! Vorher, Mitte April wird Frisell ein Doppelalbum mit Namen ‚Orchestras‘ veröffentlichen. Vorab wurden die Stücke ‚Throughout’ und ‚Strange Meeting‘ auf YouTube veröffentlicht.

Bill Frisell Trio - ‚Brussels Philharmonic‘ - ‚Umbria Jazz Orchestra‘

Bill Frisell  ist mit seinen 73 Jahren schon jetzt eine Legende, nicht nur im Jazz. Auch in der Neuen Musik und im Pop steht er für Innovation. Die Entwicklung und Bedeutung des Gitarristen hat vor einiger Zeit Philip Watson in seiner Monografie ‚Bill Frisell Beautiful Dreamer - The Guitarist who changed the Sound of American Music‘ beschrieben. Eine extra Wikipedia-Seite ist der fast unübersehbaren Fülle von Alben und Kooperationen gewidmet. Der Bassist Thomas Morgan und der Drummer Rudy Royston aus Frisells berühmten Trio sind auch bei dem neuen Album dabei. Michael Gibbs hat zwei der 16 Stücke selbst geschrieben und fast alle arrangiert.
Die ‚Brussels Philharmonic‘ ist ein großes modernes, aber von der Besetzung her traditionell aufgestelltes Orchester. Unter Leitung von Alexander Hanson wurden die Stücke 2022 in Belgien aufgenommen. Die Aufnahmen mit dem 11köpfigen ‚Umbria Jazz Orchestra‘ fanden ein Jahr vorher in Orvieto statt. Hier handelt es sich um eine typische Bigband ohne Streicher, musical director ist Manuele Morbidini. In einer Sonderedition erscheint eine 3-LP-Version des Albums mit sieben weiteren Aufnahmen, u. a. ‚Moon River‘, zusammen mit der ‚Brussels Philharmonic‘. Jazz und Symphonieorchester - geht das zusammen? Schon im letzten Jahr bei der Rezension zu Nils Wülkers Album ’Continuum’ stellte sich diese Frage, wie die Interaktion vonstatten gehen kann und ob das Orchester dabei nicht nur als Fläche dient.

‚Orchestras‘ 16 Stücke – Zwei Orchester

Das Album beginnt mit ‚Nocturne Vulgaire’, einer Komposition von Michael Gibbs, in echtem Symphonie-Sound. Lange spielt nur das Orchester, Frisell schaltet sich mit seinen brillianten Gitarrenklängen erst nach zwei Minuten ein. Ganz anders bei ‚Lush Life‘, einem Stück von Billy Strayhorn, bei dem das Trio im Vordergrund steht, viel Fläche vom Orchester, gegen Ende ein Geigensolo. Bei ‚RAG‘ geht es temperamentvoller zu, die Bläser kommen in der Mitte des Stücks aus der Deckung, erstaunlich modern und frisch klingt hier das Symphonieorchester. Viele Stücke sind Kompositionen von Frisell wie z. B. ‚Strange Meeting‘, ursprünglich vom Album ‚Power Tools‘ (1987):

Doch gerade Stücke aus einem anderen Kontext machen neugierig, zudem wenn sie von Frisell früher ohne Orchester gespielt wurden. ‚Beautiful Dreamer‘ zählt dazu, das vor 160 Jahren von Stephen Foster komponiert wurde. Ältere kennen vielleicht noch die triviale Fassung von Udo Jürgens als ‚Beautiful Dreamgirl‘ von 1964. Bei Frisell spielt das Orchester seidig-sanft mit sparsamer melodiöser Begleitung auf der Gitarre und das wars auch schon und die erste CD hat ihr Ende erreicht.

Doch was macht nun den Unterschied zwischen den beiden Orchestern aus? Zu dieser Frage bietet sich ‚DOOM‘ an, das in zwei Fassungen aufgenommen wurde. Dieses Stück von Ron Carter erschien 1970 (Album ‚Uptown Conversation’), auch Herbie Hancock war dabei. Obwohl die Brüsseler Version traditionell mit Streichern beginnt und die Italiener mit einem Drums Intro, unterscheiden sich beide Aufnahmen gar nicht so sehr, da sie eng an der Komposition bleiben und das Thema immer wieder wiederholt wird. Beim ‚Umbria Orchester‘ ist mal eine Flöte zu hören, allerdings scheint da auch ein Cello im Spiel gewesen zu sein. Zum Schluss erklingt das von Frisell arrangierte ‚We Shall Overcome‘, doch was kommt da rüber? Sorry,  zeitweise klingt das wie ‚O du Fröhliche’, hymnenartig.
Das Orchester liefert meist viel mehr als Fläche, es hat Spielräume auch für Passagen ohne Gitarre und agiert manchmal in einer Art Dialog mit dem Trio. Thomas Morgan und Rudy Royston bleiben oft im Hintergrund, mal ein Basssolo, die Drums sind nur bei ‚Lookout for Hope‘ ausgiebig im Einsatz. Beim ersten Hören des neuen Album klingt vieles ähnlich, doch es lohnt sich genauer hinzuhören, man wird viele Details entdecken. Bei seiner Tournee wird Frisell natürlich nicht mit den Orchestern auftreten, sondern nur mit seinem Trio.

Bill Frisell Trio - Orchestras
Label: Blue Note, 2023
Bestellnummer: 2 CDs 11770274   2 LPs 11737344
Erscheinungstermin: 19.4.2024

13.5.24 Konzert im Ebertbad Oberhausen - Bill Frisell Trio 

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