Bernd Kaftan
Rooms and Places
TEXT: Peter E. Rytz |
Das Klavier ist der König unter den Solo-Instrumenten im Jazz. Mit weitem Abstand folgt die Gitarre. Alle anderen Instrumente sind mit Solo-Aufnahmen marginal. Wer mit dem Klavier gehört werden will, dem stellt sich eine Phalanx von exzellenten Pianisten in Weg. Da heißt es, viel Geduld und unbedingte Überzeugung zu haben und den Glauben an sich nicht zu verlieren.
Bernd Kaftan mag dafür exemplarisch stehen. Viele Jahre im Verborgenen gereift, beschreibt Jazz Records diese Situation. Als Angehöriger der Nachgeborenen-Generation von Giganten wie Herbie Hancock, Chick Corea und Keith Jarrett sowie seiner Zeitgenossen Michael Wollny und Jason Moran tritt er jetzt im besten Mannesalter zaghaft und vorsichtig mit seinem Solo-Debüt Rooms and Places aus diesen übergroßen Schatten.
Nach Jahrzehnten vor allem als Komponist sowie als Theater- und Hörspielmusiker hat er offenbar Räume, besetzt mit Erinnerungen, Träumen und Sehnsüchten, gesichtet, aufgeräumt und neu sortiert. Mit der CD gewährt er einen Blick, leiht er ein Ohr, sich mit ihn auf seinen Dachboden enträtselter Geheimnisse zu begeben. Attic of unraveled mysteries titelt der zentrale Track, aufgenommen im „B“-inspired Studio der Tonmeisterin Brigitte Angerhausen, nicht von ungefähr.
Geheimnisvoll leise, Töne erweitern sich langsam zu Akkorden, so eröffnet die CD, als würde man durch ein kleines Dachfenster in den Himmel schauen (wide open sky). In der Morgendämmerung (dawn in greenwood) wabern Nebel. Umkreisen mit improvisierten Phrasierungen das noch unbestimmt Vage des vor einem liegenden Tages. Auf der Suche nach dem Wohin-ich-gehöre (where i belong with you) verlässt Kaftan wie mit sanftenen Füßen - die Saiten perkussiv sehr zurückgenommen, leise anschlagend, letztlich aber triumphierend - die Höhle des Zauberers (the sorcerer's cavern).
Immer mehr Licht durchflutet die Landschaft, verdichtet sich zu einer Überblickshelle, zu einem aufklarenden Standpunkt, als kulminierten die Tracks auf einem Miradouro in irgendeiner portugiesischen Stadt. Frei füllen die Kaftans Improvisation Raum und Zeit.