Bauer, Clarke, Nowak, Halpin
Mosaic
TEXT: Stefan Pieper |
Was für ein Album! Reif, hellwach, inspiriert. Vier Musiker auf Weltklasse-Niveau, die wissen, was sie tun – und es zusammen tun. Aufgenommen wurde live, im Dachtheater Warendorf und im Domicil Dortmund, Vorweihnachtstournee 2023. Jetzt ist die Band wieder unterwegs, CD-Release-Tour durch NRW. Zeit, sich das Ding mal richtig vorzunehmen.
Die Entstehungsgeschichte klingt, wie Jazz nun mal ist: spontan, aus dem Moment. Stefan Bauer trifft Terry Clarke 2023 in Toronto, die beiden kennen sich aus Bauers elf Jahren in Kanada. Nach dem Konzert lädt Clarke ihn ein, gemeinsam in Deutschland zu spielen. Aus ein paar Gigs wird eine Tour. Clarke will aufnehmen, Bauer winkt ab – kein Budget, und dann auch noch live? Am Ende wird es genau das: übers Knie gebrochen, in zwei Städten, die nicht als Jazzmetropolen gelten.
Das Vibraphon erzählt
Bauers Vibraphon übernimmt eine Doppelrolle als Rhythmus-, Harmonie- und Melodieinstrument, die er erzählerisch ausspielt. Bis auf zwei Ausnahmen stammen alle Kompositionen von ihm. Das gibt dem Album eine klare Linie, lässt aber Raum für Soli und kollektive Improvisation. Die modal gebauten Stücke zeigen, wie sich Bauers Zugang aus verinnerlichten Jazztraditionen erhebt und von dort die Gegenwart überblickt. Das Vibraphon hält die Fäden, Clarke klinkt sich ein, Bass und Saxophon folgen – ein raffiniertes additives Verfahren.
Matthew Halpins Tenorsax ist von Wärme und Zartgefühl durchdrungen. Seine Linien bauen sich auf, mischen sich ein, überhöhen das Geschehen. Die Irish Times nennt den Iren einen „fearlessly inventive improviser" – das stimmt. In „Brooklyn Shedding" dreht er auf, Neo-Bebop, Sax und Vibraphon verschmelzen. In „Peace of Cake" reiten beide unisono auf einer entspannten Swing-Welle. Jeder hat Platz, keiner drängelt.
Die Generationenbrücke zwischen dem jungen Bassisten Matthias Akeo Nowak und dem 82-jährigen Clarke funktioniert mühelos. Nowak verankert das Geschehen präzise und swingend. Clarke – ausgezeichnet mit dem Order of Canada, hat mit Oscar Peterson und Toots Thielemans gespielt, ist auf der Kultplatte „Jim Hall Trio Live" verewigt – agiert dezent, aber präsent. Sein dynamisches Vermögen ist sensationell. „Lonely Moments" entfaltet eine endlose Entwicklungsbandbreite; „Coast to Coast" als Finale tut, was der Titel verspricht: durchstarten, von Küste zu Küste.
Der Sound atmet
Die luftige Aufnahmequalität dieser spontanen Live-Aufnahme trägt entscheidend zum Höreindruck bei. Sie ist eine Ansage gegen den Überproduktionsfetischismus, der anderswo die Aura des Moments killt. Hier nicht: Der Klang bleibt offen und transparent, die Dynamik hörbar, der Raum atmet mit. Der reiche Vibraphonsound mit seinem schillernden Obertongeflecht, die erzählerischen Saxophonlinien, das federnde Schlagzeug – MOSAIC ist ein Statement. Hier brennt die Fackel. Nicht nur in der dunklen Jahreszeit.
Stefan Bauer: MOSAIC (Cornerstone Records/Toronto)
Besetzung: Stefan Bauer (vib, mar), Matthew Halpin (ts), Matthias Akeo Nowak (b), Terry Clarke (dr)
