BartolomeyBittmann
Dynamo
TEXT: Vera Marzinski |
Faszinierende Klangwelten entwickeln Matthias Bartolomey (Violoncello) und Klemens Bittmann (Violine & Mandola) beständig – magisch, Klangfarbenreich und sehr besonders ist ihre Musik – so ganz „Progressiv Strings Vienna“. Auch auf ihrem dritten Album geben sie sich lustvoll ihrem besonderen Groove hin.
Fast eine „Wiener Mélange“ könnte man sagen – nun, beide sind Österreicher, der eine aus Graz, der andere aus Wien. Und musikalisch bieten sie individuelle Mélange aus Klassik, Rock und Jazz, vermischt mit österreichischer Folklore, indischen Rhythmen und knackigen Grooves – eben, wie sie es treffenderweise bezeichnen: „Progressiv Strings Vienna“. Sie sind eine Ausnahmeerscheinung der österreichischen Musikszene, kommen aus der Klassik und haben sich mit ihrem ganz eigenen Klang auch international einen Namen gemacht.
BartolomeyBittmann bewegen sich seit 2012 als Duo auf Grenzpfaden. Klemens Bittmann ist sehr energiegeladen, Matthias Bartolomey scheint eher sehr entspannt und dabei doch heftig groovend. Gemeinsam sind sie ein sehr energetisches Gespann. Mit „Dynamo“ geben sie wieder einen neuen Einblick in ihr Repertoire und ihre Art zu spielen. „Dynamo“ ist die dritte CD – nach „Meridian“ (2013) und „Neubauten“ (2015). Die beiden agieren sehr körperlich mit ihren Instrumenten. Das ist bei Live-Konzerten des Duos natürlich sicht- und fühlbarer, aber auch die CD lässt dies in gewisser Weise nachspüren.
„Elefant“ beginnt sehr melodisch und wie ein summender Bienenschwarm kommt die Violine hinein und so nimmt das Stück langsam Fahrt bzw. den Spannungsbogen auf. Wechselspannung lässt das Licht am Fahrrad durch den Dynamo leuchten. Auch hier ist Bewegung erforderlich. So ist die Musik der beiden eine ständige Bewegung – von melodisch, melancholisch bis fast aggressiv stimmend und sehr energetisch. Bei „Nepthun“ ist die Geige ganz weit vorne und das Cello groovt sehr dominant. Nicht in der üblichen Art ein Cello zu spielen. Die beiden erweitern die Spieltechniken und gehen in eine sehr rock- und groove-orientierte Spielart. Groß klingende Riffs tauchen hier auf – aber auch in den anderen Stücken auf der facettenreichen Aufnahme.
Manche Stücke sind sehr herausfordernd, fast am Rande des Erträglichen – doch die Versöhnung kommt dann mit gefühlvollen Balladenteilen und warmen, fast zarten, Elementen daher. Sie loten auch die vielen rhythmischen Möglichkeiten mit ihren Instrumenten aus. Da hat die Geige streckenweise Perkussionsfunktion. Spezielle Effekte, klangliche Größe, Mehrstimmigkeit wird durch das Spiel zu erreicht. Das Titelstück „Dynamo“ lässt zunächst fast wegträumen, bis die Violine kratzbürstig wird. Bittmann lässt nicht nur die Violine, sondern auch seine Stimme erklingen. Dies auch in anderen Stücken immer mal wieder. Es wird zu einem packenden und sehr berührenden Erlebnis. Der „Glockenturm“ ist eher melodisch – laut CD-Inlay New York und Kitzbühel gewidmet. „Aufwachen, Legionär!“ steht hier bei dem Stück „Föhn“. Da wird der Zuhörer wahrhaftig wach. Schon mit den ersten Tönen. Wie ein Föhn überrollt die Musik. Dem weinenden Riesen von Michael Köhlmeier ist „Krystallos“ zugeschrieben. „Haim“ ist Maria Haim, der „Neinstimme von Altaussee“ gewidmet. Eine Frau, die bei einer „freien“ Wahl 1938 - bezüglich des Anschlusses an das Großdeutsche Reich - als einzige mit einem „Nein“ stimmte. Ihr Mut hat die beiden sehr fasziniert und um ihr ein Denkmal zu setzen, haben sie dieses Stück komponiert. Die Musik geht durch Mark und Bein, es kommt zu einem Ur-Schrei und beruhigt sich aber wieder. Eigentlich hieß das Stück mal „BA“, was für Bad Aussee im Salzkammergut stand – ein Rückzugsort für die beiden Musiker. Dort komponieren sie - ihre Kompositionen entstehen immer gemeinsam. Sie sammeln Ideen und fügen diese kreativ zusammen. Dabei hat jeder seinen Raum und genau dies ist in den Stücken zu spüren. Melodien erfinden sich immer wieder neu – das macht sie so lebendig.
Sie teilen die Rollen des Rhythmus- und Melodieinstrument. Sie ändern sich beständig und machen das Ganze noch abwechslungsreicher.Die Mandola von Bittmann ist ein speziell entwickeltes, gitarrenähnliches, Quinten gestimmtes Instrument und kommt immer mal wieder zum Einsatz.
Beide haben diverse andere Projekte. Da ist auch viel Klassik dabei, aber auch so eine Formation wie „Folksmilch“, in der Klemens Bittmann spielt. Der hat schon immer die Nähe zu Crossover gesucht. Nach einem Studium der Violine in Graz folgte ein weiteres für Jazzgeige bei Didier Lockwood in Paris. Das Stück „Viadukt“ steht in Memoriam für seinen Lehrer – der charismatische Musiker und Geigenvirtuose verstarb 2018. Matthias Bartolomey blickt auf einen stärker in der abendländischen Kunstmusik verankerten Werdegang zurück. Er studierte in Wien und am Mozarteum in Salzburg und ist seit 2010 Solo-Cellist bei dem von Nikolaus Harnoncourt gegründeten „Concentus Musicus Wien“. Harnoncourt wird im CD-Inlay zu „Westen“ zitiert: „Wirkliche Schönheit entsteht erst am Rande zur Katastrophe“. Das beschreibt auch dieses Stück ein wenig. „Aurora“ ist die Endmusik zu einem Film und mit „Menuett“ beschließen BartolomeyBittmann ihren Reigen der elf Eigenkompositonen dieser CD.
Sie klingen anders – nicht einfach. Aber dies macht es so besonders. Es ist nicht einfach Hintergrundmusik. Genaues Zuhören ist erforderlich und dadurch erst wird es zu einem Klangerlebnis. Mit ihren Eigenkompositionen zeichnen sie sich ihren ganz eigenen musikalischen Weg. Das Duo „BartolomeyBittmann“ ist das Herzensprojekt der beiden und das strotzt nur so vor Ideenreichtum und ihrer vielschichtigen, eigenständigen Note.
„Selten hat man Streicher gehört, die sich so lustvoll dem Groove hingeben“, sagt Wolfgang Muthspiel über sie. Wer die CD hört, kann dem nur zustimmen.
Fotos: Konzert Friedberg Juni/2018 – Vera Marzinski
BartolomeyBittmann „Dynamo“ ACT 9043-2 (29.03.2019)