Back to Black - Biopic über Amy Winehouse
Tiefgang Fehlanzeige
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Dean Rogers
Mit ‚Back to Black’ kommt mal wieder ein Biopic in die Kinos. Über das Leben von Amy Winehouse hatte es bisher nur eine Doku gegeben. Worin besteht eigentlich das große Interesse an solchen Filmen, wenn man doch - im Gegensatz zu den regulären Spielfilmen – schon vorher weiß, wie es am Ende ausgeht? Die Musik könnte man immer schon hören, Konzerte im Original in sozialen Medien konsumieren, was bringt da der Film? Es muss mit dem Interesse an der Person zu tun haben, vielleicht auch an zeitgeschichtlichen Bezügen.
Was bietet uns da der neue Film über Amy Winehouse? Wenig, eine bekannte Karriere mit viel Musik, einer Love Affair und Drogenproblemen, Tiefgang Fehlanzeige. Doch hervorragend ist die Leistung der Hauptdarstellerin Marisa Abela.
Matt Greenhalgh, der schon das Skript für 'Nowhere Boy' über den jungen John Lennon geschrieben hat, ist Drehbuchautor. Die Dreharbeiten fanden ab Januar 2023 in London statt. Weitere Rollen übernahmen Jack O’Connell als Amys Partner Blake Fielder-Civil, Eddie Marsan als Amys Vater Mitch Winehouse und Lesley Manville als ihre Großmutter Cynthia. Regie Sam Taylor-Johnson.
"Ich schreib keine Songs, um berühmt zu sein. Ich schreib Songs, weil .. Ich muss etwas Schlechtes in was Gutes verwandeln"
… sagt Amy im Verlauf des Films. Doch was war so ‚schlecht‘ bei Amy und wie ist es entstanden? Das bleibt weitgehend unklar. Reichlich weichgespült erscheint das kurze Leben der berühmten Sängerin. Wollte man die Altersfreigabe ‚ab 12‘ nicht gefährden oder auf den amerikanischen Markt Rücksicht nehmen? Die einzige Nacktszene spielt unter Wasser in dunklem Licht. Auch Amy's Vater und der Produzent Mark Ronson haben beim Drehbuch mitgewirkt, da waren krasse Wahrheiten wohl nicht erwünscht.
Die Abhängigkeit von ihrem Freund/Mann Blake Fielder-Civil spielt eine große Rolle. Doch solch 'toxische' Beziehungen wie auch Alkohol- und Kokain-Abhängigkeit sind nicht ungewöhnlich. Was war das Besondere an Amy, woher kam dieser morbide Touch? Die schwierige familiäre Situation, in der sie aufwuchs, wird nur kurz dargestellt. Deutlich wird immer wieder ihr ungebremstes Durchsetzungsvermögen einerseits und ihr Bedürfnis nach unbeschränkter Zugehörigkeit und Geborgenheit in einer symbiotischen Zweierbeziehung andererseits. Die Szene vor der Kneipe, bei der sie völlig ausrastet, stellt einen Aggressionsdurchbruch dar, der nun wirklich nicht mehr im grünen Bereich liegt. Wie passt das alles zusammen?
Doch wir waren alle nicht dabei und können nicht wissen, wie es damals wirklich war. Andersherum könnte man fragen, welches Bild von Amy der Film vermitteln will. Man sieht ein unter schwierigen familiären Verhältnissen aufgewachsenes, talentiertes Mädchen, das auf den falschen Mann trifft, der sie zum Drogenkonsum verführt, ein Mädchen, das aber trotz allem einen Riesenerfolg hat.
Doch das kann nicht alles sein. Psychische Probleme, unter denen Amy bekannterweise litt und die schon langfristig angelegt waren, passen da nicht rein, sind kein Thema für den Film, denn wichtig ist letztendlich nur die Karriere, der Erfolg. Amy's Tod, der nicht dargestellt wird, ist dagegen ein weiteres verkaufsförderndes Plus, weil sie damit in den sagenumwobenen 'Club 27' aufgenommen wird.
Jazz und Soul
Mit Jazz beginnt der Film, Amy fährt mit ihrem Vater im Auto und beide hören ‚Straight, No Chaser‘ von Monk. Amy liebt Jazz, das wird sofort deutlich. Später singt sie im Kreis ihrer väterlichen Familie Swing. Donny Hathaway, Tony Bennett, Dinah Washington, Sarah Vaughan, Billie Holiday sind ihre Vorbilder, doch auch The Shangri-Las. Und sie komponiert auch selbst und singt dazu auf ihrer Gitarre. Ein Star will sie werden, kein Spice Girl. Doch wie kommt sie von dieser Orientierung an der vermeintlich heilen Welt der 50er zu ihrer modernen Soulmusik, die einschlägt wie eine Bombe? Da muss noch was dazwischen gewesen sein, das der Film nicht zeigt. Woher kommen ihr musikalisches Talent und ihre Fähigkeit zu komponieren?
Zeitumstände spielen im Film so gut wie gar keine Rolle, wichtige Ereignisse sind Grammy-Verleihungen. Sinnvoll sind die eingeblendeten Übersetzungen der Songtexte, die die Relevanz der Texte verdeutlichen.
Die vielen Fragen, die sich hier stellen, kann dieser Film aber wohl gar nicht beantworten, denn man will letztlich eine Erfolgsgeschichte rüberbringen, auch wenn es kein Happy End gibt, und die Kassen sollen klingeln. Wesentlich informativer ist sicher die 2015 erschienene Doku 'Amy' des britischen Regisseurs Asif Kapadia, die bei der Oscarverleihung 2016 als Bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde.
Super die Schauspielerin Marisa Abela, die der echten Amy täuschend ähnlich sieht. Um diese so überzeugend zu spielen, braucht man viel mehr als Bienenkorbfrisur, ausuferndes Make Up und provokante Tattoos. Bravo.
Im Mai erscheint eine Doppel CD/LP mit einer Auswahl von 6 Originalaufnahmen von Amy und 6 Tracks von anderen Künstlern wie The Shangri-Las , Monk, Sarah Vaughan und Dinah Washington, die auch im Film zu hören sind