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August Zirner und Sven Faller

Mingus

München, 24.11.2024
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Zrenner-Wolkenstein

Charles Mingus war schon zu Lebzeiten eine Legende. Zum seinem 100. Geburtstag hatte vor zwei Jahren die Big Band der Deutschen Oper Berlin Mingus’ Suite „Epitaph“ mit Randy Brecker neu aufgenommen. Zum 45. Todestag haben Sven Faller und August Zirner Mitte November ein Album mit dem Titel ‚Mingus‘ veröffentlicht, das auch viele Texte enthält.

Collage aus Musik und Zitaten

‚Mingus‘ ist kein klassisches Musikalbum, eher eine Art Hörbuch. Text und Musik wechseln sich ab, wobei auch manchmal während eines Stücks gesprochen wird. Es handelt sich um eine Art Collage, die die beiden Musiker gemeinsam erarbeitet haben. Sie enthält außer der Musik Zitate, vor allem von Charlie Mingus, und eigene Texte.
Mit ‚Goodbye Pork Pie Hat‘ beginnt das Album. Zu diesem berühmten Stück, das Mingus zum Tod von Lester Young geschrieben hatte, wird ein englischer Text gesprochen. Im zweiten Take ‚Holy Nothing‘ wird auf Deutsch von der Herkunft von Mingus berichtet; es geht auch um die Bedeutung der Hautfarbe, mit Originalzitaten des Bassisten.
Den recht flotten ‚Watts Blues’ hat Sven Faller selbst komponiert. Ebenso ‘Malcolm X’, das mit dem gestrichenem Bass recht feierlich/düster klingt, begleitet von einem längeren Mingus-Zitat: „One day they took the Communists…….“ erinnert an einen bekannten Text von Dietrich Bonhoeffer.
Und immer wieder sind Stücke von Mingus zu hören wie ‚Sue’s Changes‘, ‚Orange Was The Color Of Her Dress‘, ‚Better Git It In Your Soul‘. Der ‚Haitian Fight Song‘ wird mit dem ‚Work Song’ kombiniert.
‚I Am Three‘, ein Ausschnitt aus Mingus’ Autobiografie ‚Beneath the underdog‘, gibt  einen Einblick in Mingus' Persönlichkeit. Dazu passt dann gut das ‚Self-Portrait In Three Colors‘ im Anschluss. ‚Hobo Ho’ von Mingus wird kombiniert mit Curtis Mayfields ‚Pusherman‘: Die Flöte übernimmt den Part des Saxofons, der Bass soliert sehr virtuos darüber und klingt später wie ein EBass; am Ende wird sogar dazu gesungen.
Und immer wieder gibt es Überraschungen wie ein Percussion-Solo auf dem Bass-Korpus bei ‚Jelly Roll’ oder die Gegenüberstellung von Zitaten von Friedrich Hebbel und Mingus. Ein anderer Text handelt von dem Gemälde ‚Autumn Rhythm‘ von Jackson Pollok, das mit Jazz verglichen wird.
In ‚City Of Angels‘ wir aus einem Tagebuch vorgelesen: ‚Endlich in Amerika“. Doch wessen Tagebuch? Bei ‚Joni‘ geht es am Ende der Amerikareise um'Mingus', das von Mingus und Joni Mitchell zusammen aufgenommene Album. In einem fiktiven Brief an den toten Mingus wird wohl die Beziehung der beiden Musiker zu dem berühmten Bassisten thematisiert.

DUO-Format Lesung und Musik

August Zirner ist Schauspieler und hat an vielen wichtigen Theatern in München, Wien und Salzburg gespielt. Er spricht die meisten Texte, spielt aber auch Flöte. Sven Faller hat lange in New York gelebt und ist ein bekannter Kontrabassist. Mit Mulo Francel und mit Stefanie Boltz hat er u. a. mehrere Alben aufgenommen. In NRW ist er vielleicht am besten durch seine Zusammenarbeit mit Joscho Stephan bekannt.
Flöte und Kontrabass – das ist schon ein ungewöhnliches Duo. Auch wenn die Kombination von Melodie- und Rhythmusinstrument sofort einleuchtet, so ist es schon erstaunlich, was das Duo daraus macht. Zirners Flöte wird zeitweise sehr rhythmisch gespielt, Fallers Kontrabass glänzt mit vielen hervorragenden Solopartien und im Zusammenspiel von Musik und Text ergibt sich ein gelungenes Bild von Mingus, das die Widersprüchlichkeit seiner Persönlichkeit gerecht wird.

Schon 2019 spielten August Zirner und Sven Faller das Bühnenprogramm ‚Transatlantische Geschichten’ , das auch als Hörbuch erschien. Ein ähnliches Format findet man bei Chris Hopkins , der vor zwei Jahren mit dem Schauspieler Thomas Anzenhofer über den satirischen Text von Herbert Rosendorfer: 'Die Karriere des Florenzo Waldweibel-Hostelli' und später mit dem  Schauspieler Markus Meyer über "Frühstück bei Tiffany." auftrat.

„The World has abandoned me“

‚56 Whales’ sind am 5. Januar 1979, dem Todestag von Mingus, am Strand gestrandet und Sven imitiert auf dem Bass den Gesang der Wale. „The World has abandoned me“ – ein Text von Mingus?
Leider ist oft nicht klar, wer das ‚ich‘ in den Texten verkörpert. Ein fiktiver Erzähler? Einer der Musiker? Wer war mit seinen Eltern in den USA, wer hat den Brief an Mingus geschrieben, wer war in der Pollok-Ausstellung? Man könnte neugierig werden und das Album öfter hören, man könnte es aber auch entnervt beiseite legen. Und das wäre wirklich schade. Die CD Hülle sieht zwar gut aus, bietet aber leider viel zu wenig an Information, die bei dieser Thematik nötig wäre.
Das Good Bye am Ende in ‚Pork Pie Hat’ gilt nun Mingus selbst, hiermit klingt das Album besinnlich aus. Ein wirklich sehr spannendes Album, das man vielleicht nicht so oft hört wie ein Musik-Album, das aber in seiner künstlerischen und thematischen Gestaltung viel Interesse und Anerkennung verdient.


Sven Faller, August Zirner - Mingus
Bestellnummer: CD  11933777
GLM Music
Erscheinungstermin: 15.11.2024

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