Aretha Franklin
RESPECT!
TEXT: Heinz Schlinkert |
Nach "Ray", "Walk the Line", "Bohemian Rhapsody" und "Via con me" läuft seit November nun auch ein Musik-Biopic über Aretha Franklin.
Der Film beschreibt 20 Jahre des Lebens von Aretha Franklin mit Jennifer Hudson in der Hauptrolle. Am Anfang werden massive Probleme in der Kindheitsgeschichte deutlich: Trennung der Eltern nach Übergriffen ihres Vaters Reverend C. L. Franklin auf ihre Mutter, früher Tod der Mutter, überstrenger Vater, Missbrauch, erste Schwangerschaft im Alter von 12 Jahren. Dann später Alkoholismus und Depressionen. 1968 ist mit Konzerten in New York, in Detroit und in Europa der vorläufige Höhepunkt ihrer Karriere. Nach der Ermordung von Martin Luther King gerät sie in eine Krise, die sie 1972 mit ihrem Gospel-Album überwindet. Damit endet der Film.
Aber auch Talente und Förderung werden deutlich: frühe Anerkennung ihres Gesangstalents in der Gemeinde und Begegnungen mit berühmten Musikern wie Dinah Washington, Mahalia Jackson und Duke Ellington schon im Elternhaus. Die Biografie wird weitgehend chronologisch dargestellt, nur selten gibt es Rückblenden. Passagen in Schwarz-Weiß sind nur aktuelle Filmaufnahmen in anderer Couleur.
- RESPECT
Eine wichtige Rolle spielt der zeitgeschichtliche Hintergrund, auch wenn es nur selten Bezüge auf zeitgeschichtliche Ereignisse gibt. Franklin‘s Bedeutung für die Bürgerrechtsbewegung wird schon am Anfang bei der Begegnung mit Martin Luther King deutlich. In dem Gespräch mit ihrem Vater nach dem Mordanschlag zweifelt sie sogar an der Strategie der Gewaltfreiheit. Andere wie Nina Simone, die in dem Film gar nicht vorkommt, sind da ganz andere Wege gegangen.
Aber wichtig war Franklin auch für die Frauenbewegung, dies wird anhand ihrer Beziehungen zum Vater und zu ihrem Mann dargestellt. Einige Szenen haben mich an Amy Winehouse erinnert, die auch von ihrem Frank ausgenutzt wurde oder an Tina Turner, die es wie Franklin schaffte, sich von ihrem gewalttätigen Mann zu lösen. Die Szene, in der sie auf der Bühne zusammenbricht, ist beeindruckend und erinnert mich an eine ähnliche in einer Doku über Janis Joplin.
In den Rezensionen wird meist viel über die Abläufe und Probleme des Lebens von Aretha geschrieben. In der SZ nennt Annett Scheffel den Film „ein von Symbolik überladenes und von Kontroversen gesäubertes, üppig inszeniertes und gut gecastetes, sehr respektvolles Porträt, das ... kaum Raum für Ambivalenzen oder Zwischentöne lässt“. Mag sein, wenig erfährt man jedenfalls in den Rezensionen über die Musik selbst.
Jennifer Hudson singt alle Stücke selbst, auch wenn es sich oft anhört, als ob es Aretha Franklin selbst wäre. Vielleicht hat diese sich auch deshalb Jennifer als Darstellerin gewünscht. Interessant sind die Szenen in den Tonstudios. Bei Aufnahmen mit John Hammond bei der Plattenfirma Columbia spielt ein kleines Orchester in einem kleinen Raum, riesige Tonbandspulen im Aufnahmeraum, erst beim 17. Take sind alle zufrieden.
Ganz anders sieht dies aus nach dem Wechsel zum Produzenten Jerry Wexlers und zum Label Atlantic Records. Es ist beeindruckend wie Sängerin und Band – trotz der Attacken ihres Mannes – zusammenfinden und mit"I Never Loved a Man (the Way I Love You)" im kleinen Studio in Alabama ein neuer Sound entsteht. Man kann nachvollziehen, wie die anfangs unscheinbare Melodie nach der Erprobung unterschiedlicher Arrangements an Gestalt gewinnt und zusammen mit der gesanglichen Interpretation eine phänomenaler Song entsteht.
In einer anderen Szene erfinden die drei Schwestern nachts in einem Hotelzimmer aus ‚Re‘ (so wurde Aretha in ihrer Familie genannt) und „just a little bit“ den ersten Single-Hit Respect (s.o.). Sicher war es nicht genauso, aber es zeigt auch die Verbundenheit der Schwestern.
Hauptmusikthema ist aber der Gospel, hiermit beginnt der Film und hiermit hört er auf. Die anfänglichen Szenen, die in der Kirche spielen, lassen erkennen, dass diese Musik den Menschen Trost gab und den Zusammenhalt der Gemeinde förderte. Die zugehörigen Verhaltensrituale wirken hier aber zumindest befremdlich; die ‚Einpeitscher‘-Rolle des Reverend erinnert an Gottesdienste von Evangelikalen, die vor einiger Zeit für Trump beteten und ihm die Hand auflegten. Gospel war aber gerade für so junge Talente wie Aretha stil- und auch gefühlsbildend. Nicht zufällig steht am Ende des Films die Aufführung in der New Temple Missionary Baptist Church, die 1972 in Los Angeles live aufgenommen und gefilmte wurde. Amazing Grace als ihr meistverkauftes Album ist daraus hervorgegangen.
Gewünscht hätte ich mir mehr Bezüge zur Musik der damaligen Zeit. Einmal hört man Otis Redding, Wilson Picket wird mal erwähnt, aber dass Aretha Franklin nicht die einzige Soulsängerin war und hier ein neues musikalisches Genre entstand, das hätte man nicht nur andeuten sollen. Aber 146 Minuten sind schon viel und alles kann man nicht in so einem Film unterbringen. Auf jeden Fall gibt es viel Raum für die Songs und das ist vielleicht das Wichtigste.
Und hier die echte Aretha Franklin 1968 live:
Regie Liesl Tommy
Dauer 146 Min
USA 2021
Filmverleih Universal