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Arbenz vs Arbenz meets Ron Carter

The Alpine Session

Zürich, 06.08.2025
TEXT: Stefan Pieper | 

Ob es manchmal braucht die Klarheit der Berge braucht, um zu verstehen, was Jazz im Kern ausmacht? In den Schweizer Alpen trafen sich im März 2024 drei Musiker, deren Altersunterschied fast ein halbes Jahrhundert beträgt – der originären Qualität von Jazz als Bindeglied zwischen Generationen ist es zu verdanken, dass eines der erfrischendsten Trioalben für diesen Sommer dabei herausgekommen ist. Ron Carter, mit 87 Jahren eine lebende Legende des Jazz-Bass, musiziert mit den Zwillingsbrüdern an Piano und Schlagzeug Michael und Florian Arbenz - so als wäre Zeit nur eine weitere Variable im musikalischen Gleichungssystem. Denn es ensteht kein nostalgisches Klassentreffen, sondern ein Dialog zwischen Generationen. Die 1975 geborenen Arbenz-Brüder wuchsen mit den Aufnahmen von Miles Davis auf, in denen Carter mitwirkte. Jahrzehnte später sitzt ihr Kindheitsheld mit ihnen im Studio und verwandelt jugendliche Träume in greifbare Realität. Doch anstatt ehrfürchtig zu verstummen, fordern die jungen Schweizer den Altmeister heraus – wie respektvoll, aber zugleich bestimmt dies zur Sache geht, wird allemal hörbar auf dieser „Alpine Session“. Die sechs Stücke sind auf jeden Fall eine hochlebendige Begegnung auf Augenhöhe.

Neugier als treibender Motor

Carter begegnet den Schweizer Musikern mit jener Neugier, die ihn seit Jahrzehnten antreibt. Die Arbenz-Brüder dem Altmeister Raum geben, ohne sich selbst zu verstecken – Zuhören auf jeden Fall als sehr aktives Zuhören. Schon bei Ellingtons "It Don't Mean A Thing" steht Carters Bass gleichberechtigt neben Piano und Schlagzeug, seine melodischen Linien formen das Fundament, auf dem Michael Arbenz seine eleganten Soli entwickelt. Carter wechselt scheinbar schwerelos zwischen den Registern, setzt perkussive Akzente und geht nahtlos in lyrische Melodiebögen über, wenn die Musik das braucht – da lebt auch in reifem Alter noch viel Experimentierfreude. Bruder Florian am Schlagzeug agiert weniger als Taktgeber denn als dritter Gesprächspartner in diesem herrschaftsfreien Diskurs. So geht es durch alle möglichen Stimmungen und Stilrichtungen. Während "Evolution" mit treibenden Rhythmen und komplexen harmonischen Wendungen aufwartet, zeigt "Lullaby" die lyrische Seite der drei Musiker. Jerome Kerns "All The Things You Are" wird zu einem Paradebeispiel dafür, wie Standards neu interpretiert werden können, ohne ihre Essenz zu verlieren - Michael Arbenz verwebt klassische Phrasierung mit Jazz-Improvisation, während Carter und Florian ein rhythmisches Fundament schaffen, das sowohl stabil als auch flexibel ist. Die Alpenlandschaft scheint den Musikern gutgetan zu haben – dieser klassisch-zeitgenössische Jazz funktioniert ungezwungen und fokussiert zugleich. Die Aufnahmequalität wird dem vollauf gerecht: Man hört jeden Fingersatz auf dem Bass, jede Nuance von Michael Arbenz' Anschlag, jeden subtilen Akzent von Florians Schlagzeugspiel.

- Album: Alpine Session
- Künstler: Ron Carter, Michael Arbenz, Florian Arbenz
- Veröffentlichung: 2024
- Genre: Jazz
-Label: Gabriel Recording 
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