Bild für Beitrag: Angelika Niescier, Tomeka Reid, Savannah Harris | Beyond Dragons

Angelika Niescier, Tomeka Reid, Savannah Harris

Beyond Dragons

Köln, 10.10.2023
TEXT: Stefan Pieper | 

Mit ihrer extrovertierten Rhythmik, einer aufbrausenden Klangwelt, aber auch kühn ausformulierten thematischen Ideen befeuern sich die Saxofonistin Angelika Niescier, Cellistin Tomeka Reid sowie die Schlagzeugerin Savannah Harris auf ihrer aktuellen CD „beyond dragons“ - die soeben auf dem Label intakt erschienen ist.

Dieses neue, heiße Power-Trio ist lebender Beweis dafür, wie die Festivals in NRW auch als Plattformen für frische künstlerische Kooperation einen guten Job machen. Die Cellistin Tomeka Reid war die letztjährige Improvisor in Residence beim Moers-Festival – und ja, die umtriebige Chicagoerin dürfte sämtliche Rekorde darin gebrochen haben, um von dieser Plattform ausgehend, neue Projekte anzustoßen und Menschen in ihre Klangwelt voller Ausstrahlungen hinein gezogen zu haben. Mehr als zwei Jahrzehnte engagierte sich die Kölner Saxofonistin Angelika Niescier als allererste Improvisor in Residence für genau dasselbe. In Moers kamen sich Tomeka und Angelika und damit zwei Musikerinnen-Generationen spielerisch näher. Und dann kam als dritte im Bunde die junge Ausnahme-Schlagzeugerin Savannah Harris hinzu, um die Dreierkonstellation komplett zu machen. Schauplatz fürs Debut war dann die Cologne Jazzweek.

MODULARE KOMPOSITIONEN

Hören wir rein in das neue Werk: Was sich sonst in heißer Live-Interaktion auf solchen Konzertbühnen entfaltet, lässt auch in aufgenommener, ausformulierter Diktion auf einem Tonträger zuverlässig die Luft brennen. Vor alle Savannah Harris kantige Breaks und Beats, die jede „Schule“ von konventionellem Jazzschlagzeug auf den Kopf stellen, springen den Hörer ab dem ersten Moment wie ein kraftvolles Freiheitsmanifest an. Derweil Tomeka Reids alles erdenkliche auskostet, was man eben nicht im Cellounterricht lernt. Vor allem sind die schillernden, gerade auf dem Cello wegen seiner Tonlage so verschwenderisch vorhandenen Obertonspektren ihre bevorzugte Spielwiese. Da braucht sich nur noch Angelika Niescier auf ihren Sopran und Altsaxofonen einzuklinken, um ihre musikalischen Ideen wie auf einem imaginären Teilchenbeschleuniger in Fahrt zu bringen. Die sieben Stücke auf „beyond dragons“ decken bei aller unberechenbaren, zerklüfteten Wildheit dennoch eine ausgewogene Dramaturgie ab. Neben hitzigem Powerplay wird auch der kontemplativen Klangerkundung, die vor allem von Tomeka Reids Cello ausgeht, viel Raum gegeben. Dem freien Improvisationsfluss steht ein hochintelligentes Koordinatensystem zur Seite, welches Angelika Niesciers auskomponierte Ideen und Strukturen vorgeben. Sie selbst bezeichnet dieses Verfahren als „modulare“ Kompositionstechnik.

intakt records 2023





Suche