Anekdoten eines freischaffenden Musikers
Vergnügliches Buch von Benny Mokross
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker |
Man kann sich gut vorstellen, dass sog. freischaffende Musiker ein im doppelten Sinne bewegtes Leben führen, führen müssen, schließlich sind sie viel „auf Achse“. Wie ihr – in Nicht-Coronazeiten – tägliches Road-Movie aussieht, erfahren wir aus erster Hand: Benny Mokross kann da viel erzählen. Der Drummer, Percussionist, Toningenieur und Gründer des Camarillo-Sound-Studios in Hemer hat seine Erfahrungen in 40 Jahren Bühnenpräsenz aufgeschrieben, sein Buch trägt den Titel … hier können Sie aber nicht parken! Aus dem Leben eines freischaffenden Musikers. Und Benny Mokross weiß, wovon er schreibt, schließlich ist er ein gefragter Sideman im Bereich von Jazz und Weltmusik mit ca. 3.000 Konzerten auf dem Buckel. Der Buchtitel ist dann auch so etwas wie ein Running Gag: Immer wieder wird der Musiker auf seinen Tourneen konfrontiert mit verständnislosen Veranstaltern, die die Freelancer nach deren stundenlanger Anreise mit solchen Sprüchen empfangen und häufig behandeln, „wie man noch nicht einmal eine rotznasige Schüleranfängerband behandeln sollte“. Von eigentlich nicht akzeptablen Bedingungen der Unterbringung und Verpflegung ganz zu schweigen. Die zusammengetragenen Anekdoten, betont Benny Mokross , sind alle authentisch, alle so erlebt, und sie werden in einer lakonischen und ironischen Art wiedergegeben, dass man ob der eigentlichen Ungeheuerlichkeiten und Ignoranz von Veranstaltern und Bookern schmunzeln muss. Da ist von Fehlbuchungen die Rede, von falschen Erwartungen, von technischen Unzulänglichkeiten, bei denen etwa die banale Abhängigkeit der Bands von Strom ignoriert wird, von geplanten Open-Air-Konzerten im tiefsten Winter oder im heißesten Sommer ohne jeglichen Sonnenschutz für die Musiker, eben von Zumutungen aller Art. Eine Liste mit Top-Twenty-Sprüchen jeweils von Musikern und Veranstaltern mit der „statistisch höchsten Wiederholungsquote“ bringt die hinter den genannten Zumutungen steckende Haltung sehr schön auf den Punkt und schließt mit erfreulicher Selbstironie auch die klischierte Musiker-Perspektive mit ein.
On the road – das bedeutet auch, dass man Absonderliches erlebt, eben all das, was das Chaos ausmacht, wenn unterschiedliche Lebens-, Erfahrungs- und Kulturkreise, unterschiedliche Kommunikationsweisen aufeinanderprallen. Benny Mokross erzählt anekdotenreich etwa von Problemen mit dem Band-Equipment beim unverständigen Abfertigungs- und Sicherheitspersonal bei Flugreisen, von Erlebnissen bei Auftritten im Rahmen von Städtepartnerschaftsevents, vonSchützenfesten, in der JVA, auf Hochzeiten, in Multikulti-Kontexten, bei Groß-Demos, beim Sauerländer Gebirgsverein…, bei der ganzen Palette von Skurillem, die ein Musiker so erleben und, ja: auch erleiden darf. Dazu gehören auch das nicht immer von tiefem Verständnis getragene Zusammentreffen mit Vertretern der Polizei und den Medien. Besonders betont der Autor, dass es sich dabei in der Regel um freischaffende Musiker handelt, Musiker in Theater- oder Sinfonieorchestern, also angestellte, dürften ein deutlich weniger ereignisreiches Berufsleben haben.
Und zu einem besseren Verständnis für die besondere Situation von freischaffenden Musikern trägt die Anekdotensammlung auf jeden Fall bei, das Buch sei jedem Event-Management, jedem Booker besonders ans Herz gelegt. Aber auch der „normale Musikrezipient“ gewinnt durch das Buch eine realistische, ja sensibilisierende Perspektive auf die Zumutungen des Freelancer-Lebens. Und Benny Mokross bereitet einem bei diesen Einsichten eine überaus vergnügliche und kurzweilige Lektüre. Man kann sicher davon ausgehen, dass man bei zukünftigen Auftritten des Autors, etwa in seinen Bands wie Bescay, Dortmund-Harlem-Trio, Transorient-Orchestra u.a. sich schmunzelnd an die ein oder andere Hintergrund-Story erinnern wird.
Benny Mokross : … hier können Sie aber nicht parken! Aus dem Leben eines freischaffenden Musikers. Hamburg: tredition 2021 (Paperback, Hardcover, e-Book)
als Vorgeschmack: