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Andreas Schaerer`s Hildegard lernt Fliegen

The Waves Are Rising, Dear!

Essen, 12.02.2023
TEXT: Peter E. Rytz | FOTO: Sven Thielmann

Sie war ein paar Mal verschoben worden, die Release-Tournee des aktuellen Konzeptalbums des Schweizer Sextetts Hildegard lernt Fliegen. Peter Rytz war beim gefeierten Auftritt in der Essener Philharmonie vor Ort...

Lange Tourneefahrten gehören zu Jazzmusikern wie zu anderen Berufstätigen die Freizeit. Zeit zu erzählen, zu quatschen, zu chillen. Mitunter passiert es, dass sich dabei Ideen für ein neues Projekt entwickeln. Der Vokalartist Andreas Schaerer erzählt bei seinem Auftritt des Sextetts Hildegard lernt Fliegen in der Philharmonie Essen anschaulich, wie das Album The Waves Are Rising, Dear! so entstanden ist.

Lange probiert, geträumt von einem Konzeptalbum. Sich erinnert, wie er als Jugendlicher in der LP-Sammlung seiner Eltern The Dark Side oft the Moon von Pink Floyd entdeckt hat. Erschienen 1973, drei Jahre vor seiner Geburt, löst die legendäre Scheibe den entscheidenden Impuls fast 50 Jahre später aus. Die Komposition steht. Allein für den vierten Track fehlt noch ein griffiger Text. Aus philosophisch intendierten Reflexionen über Symptome - Ursache versus Behandlung - fügen sie sich zum Text: Symptoms, Causes And Treatments.

Über diesen Arbeitsprozess hinaus erzählt das Album mit seinem Titel von einer nahezu prophetischen Suggestion. Frühjahr 2022, die Release-Tournee ist geplant, steigert sich die Corona-Pandemie zu einer globalen Welle: The Waves Are Rising, Dear! Unfreiwillig lange Pause für die andere Seite von Hildegard lernt Fliegen. Ein 44-minütiges kammermusikalisch auskomponiertes Werk, das so ganz anders ist, als bisher von diesem Sextett gewohnt.

Düster verhangen, prophetisch grundiert, kommt mit ihm neben dem erwarteten Vokalakrobaten der ambitionierte Sänger Schaerer zum Vorschein. Wenngleich ausdrucksvoll im Sounding, insbesondere durch die multi-variablen Blechblässer Andreas Tschopp (tb, Tuba), Benedikt Reising (bcl, sax) und Matthias Wenger (sax) sowie den solistisch akzentuierenden Bassisten Marco Müller und Christoph Steiner (dr, perc, Marimba), ist Schaerers Gesang durchaus gewöhnungsbedürftig. Das Vermisste, die enigmatisch Hildegard-lernt-fliegen-spezifischen Typik humoriger Vokalakrobatik liegt anfangs wie ein Schleier über The Waves Are Rising, Dear!

Post-apokalyptisch aufgeladene Kneipen-Serenaden

Mag sein, dass Schaerer seine Ankündigung, sie werden in der ersten Konzerthälfte das Album in seiner konzeptionellen Gesamtheit durchspielen, zurücknimmt. Unterbrochen durch durchaus amüsante Geschichten, bleibt ein Geschmack von professioneller Routine. Mehr Raum für das Musikalische, weniger Erzählung in einer Pose, die in ähnlicher Weise in Kritiken im Netz nachzulesen sind, hätte diesem Konzertteil gut getan.

Der Schaerer, der mit Hildegard lernt Fliegen 2023 ihre 18jährige Volljährigkeit feiert, gibt mit post-apokalyptisch aufgeladenen Kneipen-Serenaden dem Vokalkünstler Zucker. Aus dem oberen Parkett durchtönt dreifaches Blech geisterhaft die Philharmonie, vereint sich mit den anderen drei Hildegards zu einer martialisch over-tuned Collage. Trompeten und Saxofon-Töne sind zu hören, ohne dass Blechbläser zu sehen sind. Schaerer zaubert sie mit einer unglaublichen Vokalakrobatik in den Raum. Selbst im Quintett-Tutti strahlt sie über alles deutlich hörbar hinweg.

Dass Schaerer auch ein ausgebuffter Entertainer ist, zeigt sich spätestens in seiner Animation des Publikums zum Mitmachen, zum dialogischen Mitsummen. Jodeln von oben nach unten oder umgekehrt? Egal, ob b-Moll oder fis-Moll die am besten resonanzierende Tonart in der Philharmonie sein mag. Das ist Physik, wir machen Musik, amüsiert sich Schaerer mit schweizerischer Selbstironie schelmisch. Sein Spiel mit Stimme und Stimmung, perfekt abgestimmtem Sextett-Sound, lässt den Funken überspringen.

Begeisterter Beifall, der offensichtlich hofft, Andreas Schaerer &Hildegard lernt Fliegen bald wieder in der Philharmonie Essen erleben zu können. Fliegen lernen kann einfach schön sein.

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