Roger Hanschel feat. String Thing
Beauty of the essential detail
TEXT: Stefan Pieper |
Roger Hanschel kollaborierte für sein neues Release mit dem Ensemble "String Thing", einem reinen Jazz-Streichquartett.
Für den Saxofonisten Roger Hanschel ist das Zusammenspiel mit indischen Musikern ein Lebenselixier. Es hat die künstlerische Haltung und ebenso die spielerische Handschrift des Saxofonisten mitgeformt, die wieder in andere Kontexte seiner zahlreichen Projekte weiterlebt. Und auch wenn die Begegnung mit den indischen Freunden in diesem Frühjahr nicht stattfinden konnte, kennt der Kölner Saxofonist und Komponist niemals Stillstand. Und den gibt es genauso wenig auf dem neuen Release „Beauty of the essential detail“, bei dem das „String-Thing“- Jazz-Streichquartett Pate stand.
Schon das Eröffnungsstück Bhajan wirft alles in die Waagschale: Eine straff gehaltene, modale Unisono-Linie aller Beteiligten katapultiert den indischen Einfluss in eine Klangwelt aus Jazz und neuer Streichermusik. Ab jetzt ist es Programm, Einflüsse zu bündeln, miteinander reagieren, manchmal explodieren zu lassen. Rasche Schnitte sind Sachen der Partitur, die Hanschel für alle Beteiligten dezidiert ausformuliert hat. Jetzt ergehen sich hohe und tiefe Streicher in breiten Legato-Teppichen, bevor Hanschels Saxofon jähe, indisch geprägte, fast perkussive Klanggewitter anzettelt.
Leichtfüßiger, ja, im sprichwörtlichen Sinne „jazziger“ erzählen Stücke wie Life and Death so manche sinnliche Geschichte, da reagiert auch mal eine Prise Folk, vor allem aus der Violine von Nicola Kruse mit andere. Ingmar Meissner soliert auf der Viola auch ganz famos in der Mittellage, während sich Gunther Tiedemann s Himmelsstürme auf dem Cello gerne auch mal expressiv aus den Basslinien erheben, mit denen er sonst zusammen mit Jens Piezunka auf dem Tieftöner fürs Fundament untenrum sorgt. Eine solche verlässliche Chemie ist auf jeden Fall eine sichere Band auf einer Reise durch Stimmungen, Atmosphären und Ideengebilden.
Faszinierend wandelbar funkt Hanschels Altsax dazwischen oder fügt sich sensibel in feingewebte Teppiche aus Streicherornamenten und expressive Klangfarben ein. Komfortzone ist jedoch nie angesagt: Dann dafür wirbeln Skalen und unregelmäßige Metren und bauen in jedem Moment knisternde kreative Spannung auf.
All dies wirkt oft improvisiert und es ist es wohl vielfach auch, aber dennoch im Sinne der übergeordneten Architektur einer Quintett-Komposition: „Ein Glissando oder eine besondere harmonische Wendung kann eine Komposition zum Leben erwecken, ein besonderes Blending der Instrumente kann ihr den Zauber verleihen.“ Hanschel greift hier auf die Erfahrung mehrerer Kollaborationen mit dem eher klassisch fokussierten Auryn-Quartett zurück. Es jetzt mal mit einen ausgesprochenen Jazz-Streicherquartett (ohne zweite Violine, dafür mit Kontrabass) zu wagen, erscheint wie eine logische Horizonterweiterung.
MicNic Records MN7, 2020 im Vertrieb von Recordjet.de und EDEL-distribution