Bild für Beitrag: ​Positive Energien im großen Zelt | 25. Hildener Jazztage
Bild für Beitrag: ​Positive Energien im großen Zelt | 25. Hildener Jazztage
Bild für Beitrag: ​Positive Energien im großen Zelt | 25. Hildener Jazztage
Bild für Beitrag: ​Positive Energien im großen Zelt | 25. Hildener Jazztage

​Positive Energien im großen Zelt

25. Hildener Jazztage

Hilden, 20.08.2021
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Normalerweise breiten sich die Hildener Jazztage überall in der Stadt aus - in kleinen und großen Locations. In diesem Jahr ist alles anders. Zweimal musste die Jubiläumsausgabe verschoben werden. Schließlich war es dem Improvisationsgeist jazzaffiner Unterstützer des Festivals verdanken, dass nun endlich die 25. Ausgabe in einem großen Zelt und an einer Ausweichlocation stattfinden kann - noch bis einschließlich Sonntag!

Gibt es leblosere Orte als ein Gewerbegebiet am Feierabend? Wenn sich mittendrin auf einmal viele Menschen zum Jazz versammeln, kann diese jede betonierte Tristesse machtvoll aufbrechen. So etwas passiert gerade bei der 25. Festivalausgabe der Hildener Jazztage, die nun - praktischerweise - auch genau 25 Jahre nach der Festivalgründung läuft. Zwar nicht an den ganzen charmanten Locations, an denen sonst der Jazz die Stadt erobert, dafür mit einer verlässlichen, aufgeräumten Struktur: 5 Festivaltage mit jeweils zwei zeitlich ausgiebigen Konzerten bieten in Hilden die ganze Aktualität des modernen Jazz mit internationallen Gästen der ersten Liga und vielen erfahrenen NRW-Protagonisten im Zentrum. Hier zeigt sich einmal mehr, dass mit Peter Baumgärtner ein aktiver Musiker die Konzerte kuratiert...

Er selbst sitzt am Schlagzeug am zweiten Abend der 25. Hildener Jazztage. Zusammen mit Bassist Konstantin Wienstroer und dem Multiinstrumentalisten Jörg Siebenahr entsteht das Trio „Accordeon Affair“. Intim und kammermusikalisch beginnt also der Abend, und diese drei Musiker lassen mit Feingefühl viel Großes daraus entstehen. Im Zentrum steht Jörg Siebenahr. Seine Art, simultan Klavier und Akkordeon zu spielen sucht ihresgleichen. Vor allem die Doppelfunktion der linken Hand ist bemerkenswert und ein physischer Kraftakt: Er spielt mit ihr so vollgriffig das Klavier, so dass niemand auf die Idee käme, dass hier nur die Linke im Einsatz ist. Zugleich muss er damit für die Luftversorgung des Akkordeons sorgen. „Ich benötige schon regelmäßiges Training meines Handgelenkes, um mich dafür fit zu machen“, beschreibt er im Gespräch nach dem Konzert die physische Herausforderung. Aber auf der Bühne klingt das alles leicht, mühelos und ausdifferenziert. Eben so, als würden hier zwei Musiker völlig unabhängig spielen. Die Folge ist lyrischer, mit detailverliebter Finesse auflebender Jazz, der sich gerne auch mal bei einem Beatles-Thema bedient oder in den Gefilden französischer Musette-Walzer stöbert und im späteren Verlauf mit einer hinreißenden Carla-Bley-Hommage das zahlreich erschiene Publikum verzaubert. Vor ebenso viel humorvollem Charme sprühen die Eigenkompositionen von Jörg Siebenahr. Auch das vertreibt zuverlässig alle Schlechtwetterlaune an diesem wolkenverhangenen Abend.

Baumgärtner weiß genau, was er nach Hilden holt. Dafür besucht er viele internationale Festivals - und wurde diesmal auch im lituatischen Vilnius fündig. Hier war er von einer aktuellen Besetzung der Fusionsjazzrockband mit dem geheimnisvollen Namen Shinkarenko Jazz 4 begeistert. Die spielfreudige Band ist in NRW schon lange nicht mehr unbekannt, aber man kann sich drauf verlassen, dass kein Gastspiel der Litauer wie das andere ist. Jetzt legt dieses Quartett in Hilden los - und wie. Die Geschicke lenkt der Bassist Leonid Shikarenko, dessen extrem flexibles E-Bass-Spiel zeigt wohl den meisten anderen Kollegen seiner Zunft, wo der Hammer hängt. Immer im Zentrum des Geschehens, immer voller melodischer Finesse, stets den Groove vorantreibend und manchmal auch lyrisch-zart. Schlagzeuger Linas Buda kommt aus dem elektrifizierten Progressive Rock, das wird deutlich an der Art, wie er Druck macht. Dabei sind außerdem gleich zwei höchst eloquente Saxofonisten: Jan Maskimovich mit der vielgefragten Kombination Sopran plus Tenor und seine Kollege „Vytautas Labus“ auf dem Altsax bzw. auch auf Keyboard und Synthesizer. Damit brennt das Quartett aus dem Baltikum ein gehaltvolles wieauch mächtig vorwärts treibendes Feuerwerk ab, das in vielen Jazzstilistiken, aber auch balkanesker Melodik eine riesigen Bandbreite entfaltet. Großartig, wie sich die beiden Saxofonisten in kollektiver Improvisation gegenseitig beflügeln. Temperamentvoll treibt dieser Sound voran - und das ganze hat so viel ehrliche, positive Ausstrahlung, macht neugierig, den Kulturraum des Baltikums gründlicher zu erforschen. Auf jeden Fall scheinen hier Menschen viel Spaß am Musikmachen zu haben.

Auch für die weiteren Abende hat Peter Baumgärtner ähnliche Kompositionen zusammen gemixt: Eben nicht zwei Bands, die sich gegenseitig die Show stehlen könnten, sondern immer eine kontrastreiche Dramaturgie aufbauen. So kann jeder Abend ein volles Festivalerlebnis für sich bieten - natürlich lohnt es sich umso mehr, zu allen Konzerten hinzugehen. Plätze und Karten sind noch reichlich vorhanden.

Info:

www.hildener-jazztage.de

Bild für Beitrag: ​Positive Energien im großen Zelt | 25. Hildener Jazztage
Bild für Beitrag: ​Positive Energien im großen Zelt | 25. Hildener Jazztage
Bild für Beitrag: ​Positive Energien im großen Zelt | 25. Hildener Jazztage
Bild für Beitrag: ​Positive Energien im großen Zelt | 25. Hildener Jazztage
Bild für Beitrag: ​Positive Energien im großen Zelt | 25. Hildener Jazztage
Bild für Beitrag: ​Positive Energien im großen Zelt | 25. Hildener Jazztage
Suche