Maschinen-Gleichklang und Sinfonik
Paul Frick und das Ensemble Adapter beim NOW-Festival
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Der Berliner Paul Frick hat mit seinem „Brand Brauer Frick Ensemble“ eine vielbeachtete Pionierarbeit geleistet, wenn er die repetitiven Prinzipien von Techno und Minimal Music einem Kammerorchester einverleibt. Beim „Now“. Festival in Essen traf der Berliner auf das deutsch-isländische Ensemble Adapter – und diese Konstellation setzte eher auf Reibung, weniger auf Einverleibung.
Scheinbar weit entfernte musikalische Prinzipien reagieren auf frappierende Wiese miteinander. Harfe, Flöten, Cello und Klavier taugen zu einer manchmal sinfonischen Färbung. Der Schlagzeuger pflegt die Kunst der Reduktion, manchmal so konsequent, dass ein einzelner peitschender Snaredrumschlag ausreicht, damit die Musik auf den Punkt geht. Auch der Pianist produziert nicht selten technoide Schläge, vor allem wenn beim Anschlagen der Taste mit der Hand der Dämpfer zur Erstickung der Resonanz runtergedrückt wird. Manchmal wie bei Zappa, aber im ganzen doch viel frischer und neuer wirkt die hier zum Zuge kommende Collagentechnik. Rasche Schnitte kreieren ihren eigenen Rhythmus. Orchestrale, manchmal fast Strawinsky-artige Motive werden durch den Dekonstruktions-Mixer gejagt.
Technomusik resultiert zum Großteil aus gesampelter Geräuchwelt und wirkt deswegen so konkret, physisch und funktional. Das Ensemble im Salzlager der Kokerei Zollverein setzt zur Demonstration dieser Erkenntnis eine uralt anmutende Anordnung ein: Ein Diaprojektor auf der Bühne läuft im Automatikmodus. Die alte Mechanik klackert in stoischer Gleichmäßigkeit. Über diesen unerschütterlichen Puls erhebt sich ein bittersüßes Klaviermotiv. Andere rhythmische Elemente kommen hinzu. Dieser Gleichklang setzt sich im Visuellen fort: Jedes Instrument, das in dieser Anordnung erklingt, wird auch per Dia auf die Leinwand projiziert.
Weiter geht es in diesem nicht selten genialen musikalischen Kosmos: Bassdrum-Schläge poltern, Synkopische Klaviermotive und allerhand Geräuscheffekte funken dazwischen, Harfenglissandi versprühen silbrige Gischtwolken, raffiiniert eingestreute jazzige Spielfiguren zeugen vom geballten musikalischen Erfahrungsschatz der Mitwirkenden. Und dann passiert wieder etwas grundlegend umwälzendes: Als würde aus der Ferne ein bedrohliches Ufo oder ein Helikopter anschweben, mischen sich wummernde, rhythmisch oszillierende Klangströme aus einem moog-Bass-Snytheziser ins Geschehen ein. Paul Frick schraubt an den klangformenden Reglern, dass diese Schwingung unruhig moduliert, sich mächtig ausbreitet, den Raum beherrscht. Peitschende Instrumentalschläge, die auch in Strawinskys Sarce vorkommen könnten, antworten darauf. Seinen faszinierenden Höhepunkt erreicht diese Konstellation, als der Cellist mit sonoren Tremolo-Spiel in die wummernden Schwingungen aus den Oszillatoren einsteigt.
Paul Frick und das Ensemble Adapter stillen vorbildhaft einen -auf breiter Front bestehenden- Hunger nach neuen Ideen in der Musik. Oder auch nach ungeahnten Klang-Spektren, welchen sich gerade diese Ausgabe des NOW-Festivals leitmotivisch verschrieben hat. Kritisch anzumerken bleibt aber hieß: Die Gesamt-Dramaturgie dieses Konzerts ließ nicht wirklich einen hypnotischen Stimmungsbogen aufkommen, obwohl diese erstaunliche Musik doch alles denkbare Potenzial für so etwas hat. Dass der Harfenistin zu Anfang eine Saite riss, war eine entschuldbare Zwangspause, ebenso, dass viel komplexe Technik zu beherrschen war. Aber es entstanden doch zu viele „Löcher“ zwischen den Stücken und vielen im Publikum war es am Ende nicht mals klar, ob das Konzert wirklich zu Ende sein sollte oder erst Pause war. Da könnte man doch noch etwas mehr Sinn für Performance im Angesicht des Publikums zeigen.