Bild für Beitrag: ​Konfrontationstherapie vs Kitsch-Gebrüll | Ein Abend mit den Moving Krippenspielers
Bild für Beitrag: ​Konfrontationstherapie vs Kitsch-Gebrüll | Ein Abend mit den Moving Krippenspielers
Bild für Beitrag: ​Konfrontationstherapie vs Kitsch-Gebrüll | Ein Abend mit den Moving Krippenspielers
Bild für Beitrag: ​Konfrontationstherapie vs Kitsch-Gebrüll | Ein Abend mit den Moving Krippenspielers

​Konfrontationstherapie vs Kitsch-Gebrüll

Ein Abend mit den Moving Krippenspielers

Köln, 11.12.2020
TEXT: Stefan Pieper | 

In dieser Vorweihnachtszeit ist es überall angenehm ruhig, zumindest, was die sonst übliche Kakophonie aus verhunzten Versionen von „Stille Nacht“ und „Jingle Bells“ im öffentlichen Raum anbelangt. Sogar das unsägliche „Last Christmas“ schleimt einem nicht ständig aus den Apparaten der Zwangsbeschallungsmafia entgegen. Das macht stark für eine ganz andere Konfrontationstherapie in Sachen Weihnachten - per Livestream aus dem Stadtgarten durch „The Moving Krippenspielers“.

Matthias Schriefl und seine Kult-Truppe - aufgrund der Abstandgebote zum Quartett verschlankt - sind alle hervorragende universelle Jazzer, die aber an diesem Abend nicht das musikalische Fortschrittsrad weiter drehen wollen und müssen. Allerhand schräge Gewänder nebst Rastamähnen, Glitzergirlanden und Push-up-BHs taugen perfekt, um in vorfreudigem Glanz Hörner erschallen zu lassen, Trommeln zu schlagen, den Bass zu traktieren etc. . Noch ist es harmlos, wie die Combo zu Beginn lässig-elegant loswingt. Schriefls Trompete maunzt und gellt. Dann geht es los – voll auf die Breitseite! Gemeinschaftlich das Singen nicht sein lassen können hat schon – konsequent betrieben – manchmal wieder Kunstfaktor. Macht hoch die Tür! Lasst uns froh und munter sein! Halten wir weiter durch bei dieser Live-Übertragung aus dem King George.

„Moving Krippenspieler“ haben ihre umfassenden jazzigen Mittel im Griff und entfalten sie auch treffsicher, konterkarieren damit das frömmelnde „Kommt lasset uns anbeten“ mit morbidem Trauermarsch-Getrommel, aber dann schießt schon wieder ein Wortspiel mit rekordverdächtigem Flachwitz-Faktor (Pilatus=Pilates) dazwischen. „Ich möchte scheinen, doch bin ich am weinen“ reimt sich, als käme es vom Himmel. Zumindest, wenn die dort oben schon zu viel Glühwein intus haben. Gibt es noch mehr Space nach oben? Keine Frage, vor allem wenn es noch unterirdischer werden soll. Dieser Mix aus Travestieshow und Monty Python gepaart mit kölschem Humor nimmt seinen monströsen Lauf. Die Moderationen dazwischen sind eine Lektion in Penetranz mit ihren ständigen Wiederholungen, die Späße derweil aus heißer Luft gebaut. Derweil sich weiterhin In schöne Melodien wie Balken verbiegen, mit scheinheiligem Heiligenschein die Trompete soliert, das Klavier brilliert und auch die Violine das besinnliche Festtags-Liedgut zart umsäuselt. Das sind viele zarte subtile Anspielungen allein durch Instrumentalklänge im richtigen Moment. Schon bald schlägt der nächste Refrain brutal auf die ästhetischen Rezeptoren: „It`s christmas tiiiiiiiiime“. Man sollte selbst schon gehörig was intus haben, um empfänglich für diese Erfahrung zu sein.

Die schlagkräftigste Antwort auf jedes Jahresendzeit-Kitsch-Gebrüll hat gegen Ende der schrillen Show eine Art „Gangster-Rapper“ im Weihnachtsmann-Outfit parat. Denn der gemahnt an die regelmäßig wiederkehrenden Nachrichten über Ganoven, die im Weihnachtsmann-Kostüm raubend und überfallend zu Werke gehen – was ja irgendwie auch schmunzeln lässt, wo sich die Welt mit diesem Bartträger eine Symbolfigur für das Gute, Wohlfeile geschaffen hat.

Kurzum, die „Moving Krippenspieler“ polarisieren und das dürfen sie auch. Für jeden schrägen Urknall stehen genug musikalische Mittel bereit. Aber in der Gesamtwirkung bleibt alles manchmal doch in den Untiefen einer doch allzu braven Comedy hängen...

Wer jetzt noch Kontrontationstherapie braucht, kann den Livestream abrufen unter

https://www.youtube.com/embed/jPgXNfFE4YI"

Suche