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​Jazz an einem Sommerabend 2021

Hinaus in die Nacht!

Krefeld, 25.08.2021
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Alles war wieder da an diesem Jazz-Sommerabend: Exquisite Musik in wirkungsvoller Dramaturgie. Ein begeisterungsfähiges, dankbares Publikum. Allerdings auch der nächtliche Wetterumschwung , wie er schon so oft beim finalen Konzert vor der Burg Linn den Himmel seine Schleusen öffnen ließ. Die Klangstürme der amerikanischen Band ¡Mofaya! zum Finale des Festivals erwiesen sich in diesem Moment aber als die stärkere Kraft.

Den Programmm-Machern Rolf Sackers und Christian Kuntze haben mit der aktuellen Festival-Ausgabe wieder mal eine dreistufige Rakete in den Jazzhimmel abgefeuert. Stufe 1: Jazz, der aus NRW kommt, aber längst auch weit darüber hinaus ausstrahlt. John-Dennis Renkens Band Tribe sorgt auf Anhieb für maximales Powerplay. Was in dem Moment wie ein weiterer Weckruf für die Live-Kultur wirkt. Das Quintett ist eine moderne Variante von Jazzrock, die aber viel zu organisch daher kommt, als dass von Crossover zu reden wäre. Vertrackte bebopartige Phrasen der Bläsersektion prallen auf Noise-rockige, dissonant-harmonische Flächen. Schlagzeuger Bernd Oeszevim synchronisiert diese miteinander, nicht ohne viele Wege durch verschlungene Breakbeat-Labyrinthe einzuschlagen. Aber bevor das ganze allzu sportlich ausartet, kommen lyrische Nuancen ins Spiel - was auch mal auf ein versöhnliches Wiegenlied für Renkens eigene Tochter hinaus laufen kann. So manches Stück ist hier auch Statement. Eine besonders wütent aufbegehrende Nummer schrieb John-Dennis Renken unter dem Eindruck einer erschütternden Reportage über Polizeiwillkür in den USA. Aber sämtliche Spielwut wird auch wieder zur positiven Energie, bei der vor allem auch Saxofonistin Angelika Niescier und Posaunist Klaus Heidenreich oft kollektiv improvisierend in die Vollen gehen. Tribe wurde als Projekt beim Moers-Festival gegründet. Es ist John Dennis-Renkens Weitblick zu verdanken, dass sich hier eine besonders kontinuierliche Band entwickelt hat.

Stufe zwei in der Festival-Dramaturgie favorisiert ein aufstrebendes Projekt in der europäischen Szene: Rolf Sackers, der - unter anderem - viel auf österreichischen Festivals unterwegs ist, wurde in Wien fündig. Zuvor war das junge Quintett chuffDRONE auch schon mal auf dem Moers-Festival zu Gast. In Krefeld kommt ihnen als „mittlerer“ Gig im Programm eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe zu: Nämlich die intensive Atmosphäre der sommerlichen Abenddämmerung zum „Klingen“ zu bringen. Das Wiener Quartett leistet diesen Job mit tiefer Empfindsamkeit und einer erstaunlichen Versiertheit auf den Instrumenten. Die Sache der fünf Musikerinnen und Musiker sind weitgespannte lyrische Kompositionen, die sich variantenreich immer neu ins Expressive steigern, dass man das Wort „crescendo“, (was anwachsen heißt!), unbedingt wörtlich nehmen muss. Vieles in der Musik wirkt leichtfüßig, positiv, aber es werden auch ernste Nuancen transportiert: Saxofonistin Lisa Hofmaninger verarbeitet in einem Stück ihre Empfindungen, als während ihres Aufenthalts in Paris im Jahr 2015 gerade die Terroranschläge auf ein Rockkonzert passierten: Eine lebendig, rhythmische, vorwärtstreibende Passage reißt mittendrin ab, mündet schlagartig in eine dissonant-elegische Klangmeditation. Nicht minder berührend war auch in einem anderen Stück Lisa Hofmaninger ausgedehntes Bassklarinttensolo.

Stufe drei ist mal wieder eine jener Demonstrationen, warum „der Jazz“ letztlich seine Haupt-Quellen in Amerika hat. Das Quartett ¡Mofaya! stellt klar, dass dies auch in einem Freejazz-Idiom heutiger Spielart Gewicht hat. Rolf Sackers zeigte sich hocherfreut, dass er diese Besetzung nach Krefeld einladen konnte. In ihr reagieren mehrere hochbrisante Komponenten miteinander: Zum einen das explosive Saxofonspiel von John Dikeman - zum anderen das mutige Trompetenspiel von Jaimie Branch, die sämtliche improvisatorische Freiheit auf der Bühne auslebt. So etwas prallt auf die Soundkaskaden von Dikemans Saxofon - und wird zusammen mit dem Dauerfeuer von Schlagzeuger Aleksandar Skoric und Bassist Luke Stewart zur sportlichen Herausforderung auf höchstem Erregungslevel. So schallt es befreit, wild und ekstatisch in die Nacht hinaus. Jenseits des freien Powerplays hat die Band aber auch ein gutes Händchen für Wechselbäder: Mit der gestopften Trompete kühlt Jaimie Branch die Klangfarbentemperatur erst mal runter. Hall- und Echoschleifen eröffnen Klanglandschaften wie keine andere. Aber die Magma ist nicht erkaltet, sondern wabert im Untergrund weiter, ist bereit, um ständig wieder hervor zu brechen. Dass es mittlerweile wie aus Eimern schüttete, war bei allem allenfalls nur noch eine Randnote.

Kompletter Festivalstream HIER

Wer es verpasst hat, für den ist alles aufgenommen worden und im Netz (siehe oben) abrufbar. Möglich macht dies eine Förderung des Jazzzklub Krefeld im Rahmen des Programms Neustart Kultur. So gewinnt der Jazz, der an diesem Abend in die Nacht hinaus schallte, noch mehr Ausstrahlung. „Unsere Videostreams sind schon einigen Bands zu Gute gekommen. Da haben Veranstalter unsere Videos gesehen und daraufhin Bands, die bei uns pielten, gebucht,“ beschreibt Rolf Sackers den Synergieeffekt,

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