Gelb, laut und frei
Semantik auf dem Teppich
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: screenshots
Zurzeit läuft in der Zeche Carl die Videokonzerreihe „Gelb, laut und frei“. Gefragt ist die spontane Duobegegnung aufgrund einer überraschenden Leitidee nach Bildern, die erst zu Beginn des Auftritts enthüllt werden - ein kreativer Ansatz, um Livestream-Konzerte kurzweiliger zu gestalten...
Alle Duos werden mit jeweils drei Bildern an der Wand konfrontiert, aus denen Ideen für spontane Improvisation hervor gehen. Was sagt uns das Unbewusste? Welche Klänge werden hier frei?
Emily Wittbrodt und Julia Brüssel setzen hier bei der Farbsymbolik dieser Bilder an und versinken auf Violine und Cello tief in meditative Sphären. Ganz vorsichtig nähern sich die Bogen den Seiten an, Klänge von rätselhafter Vagheit freisetzend, ebenfalls Tonhöhen-Glissandi, die sich jeder Fixierung auf eine festdefinierte Note widersetzen. Erstaunlich, wieviel Rhetorik so etwas frei setzen kann, da lebt vermutilich viel Erfahrung, welche Julia Brüssel und Maria Trautwein allein schon im Quartett Hilde gesammelt haben – und wo semantische Prinzipien von Konversation in assoziativer Klangstruktur weiter leben.
https://www.youtube.com/watch?v=0U0xcd-wwpo
Cristian Ugurel und Fabian Neubauer suchen einen Konsens über die Wahrnehmung einer seltsamen Struktur auf dem enthüllten Bild – nehmen dann ihre Instrumente zu Hilfe, um weiter nach einem Konsens zu suchen. Sie werden dabei vor allem in chromatischen Zwischenwelten fündig. Unbeirrt und im meditativen Fluss, was an neutönerische serielle Verfahren erinnert. Die Wurlitzer Orgel und das Tenorsax erzeugen durch ihre Klanglichkeit eine anschmiegsame Wärme. Freie und offene Strukturen, in denen die individuelle Fantasie und die Reise ins Unbewusste allemal genug Platz hat...
https://www.youtube.com/watch?v=aoLjwtH30MQ
Gitarristin Raissa Mehner und der Posaunist Max Wehner enthüllen drei Bilder mit seltsamen Objekten drauf. Eine Honigflasche, eine Platte von „Struwwelpeter reloaded“, eine Feder. Soll jedes dieser obskuren Objekte mit einem eigenen Stück "gewürdigt" werden? Oder machen wir lieber eine komplexe Abfolge, gar eine Sonatenhauptsatzform oder oder ein Rondo? Das muss erst mal verbal – und später auch auf Gitarre und Posaune „ausdiskutiert“ werden. Die alten Perserteppiche, auf denen die Instrumente stehen und wirken so heimelig, dass sie Patrick Hengst und Hartmut Kracht zu Rundgängen inspirieren. Dann passiert, was kommen musste: Der Schlagzeuger ergreift die Gitarre, der Gitarrist trommelt auf dem Drumset rum. Alles im Leben ist Trial and Error, wer zuviel plant, muss scheitern...
https://www.youtube.com/watch?v=0UXlOgbOJ0k
https://www.youtube.com/watch?v=2oNmf4270i8
Die Reihe geht noch weiter. Am 4. Februar haben die Vokalistin Hanna Schörken und der Elektroniksound-Tüftler Achim Zepezauer die Teppiche in der Zeche Carl für sich.