Fantasievolle Klangwelten an extraordinärem Ort
Daniel Herskedal in der Schwarzkaue Schlägel und Eisen
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Zbyszek Lewandowski
Was für eine Band! Was für eine Location! Was für ein Abend! In die weitläufige Halle der ehemaligen Schwarzkaue Schlägel und Eisen zauberte eine Band aus dem hohen Norden alles an imaginärer Kraft und musikalischer Eindringlichkeit – die aktuelle Formation um den Tubaspieler und Trompeter Daniel Herskedal, die ihr einziges Konzert in NRW spielten. Und dies zog das zahlreiche Publikum von weither, sogar aus dem Ausland an.
So lyrisch, so sinnlich-funkelnd das solistische Spiel des Norwegers ist, so sehr er weitgespannte Melodienbögen aus dem größten Blechblasinstrument heraus holt, so sehr ist doch die Band im Ganzen eine eindringliche Stimme! Keine Frage: Herskedal emanzipiert die Tuba solistisch - und wie! Jenseits aller Basslinien und Begleitfiguren formt er lange melodische Bögen, breitet Klangflächen aus, weiß durch Modulationen den einzelnen Ton zum emotionalen Ereignis auszuweiten.
Einen rhythmischen Puls, der oft an arabische Stilistiken erinnert, liefert der extrem freigeistige Schlagzeuger Helge Andreas Norbakken. Statt einer Snaredrum hat er zwei Djemben aufgestellt. Als „Hängetom“ fungieren, - jetzt kommst – zwei ausrangierte Stahlfelgen! Was absolut Sinn macht, macht es Norbakkens differenzierte perkussive Aktionen im einen Fall weicher und federnder, im anderen Fall glockenhell und präsent, fast wie bei einer Steeldrum. Mit solchem Klangbewusstsein kommt es zu ausgiebigen, gerne metrisch extrem unregelmäßigen Dialogen mit dem Pianisten Eyolf Dale. Neben Herskedal auf seiner Tuba und einer Bass-Trompete, die wie ein Flügelhorn aussieht, schwingt sich vor allem der Violaspieler Bergmund Waal Skaslien zur eindringlichen, solistischen Stimme auf. Oft glänzt sein Ton in seidigen Flagolett-Farben. Ebenso phrasiert er seine Melodienbögen latent orientalisch und gibt seinem Instrument gerade in mittleren und tieferen Tonlagen so viel Raum, dass es wie ein Cello oder eine Oud anmutet. Oft haben die Stücke melodisch-liedhaftes Material zum Ausgangspunkt und durchlaufen dann weitgespannte Fantasiereisen, oft in modalen, gerne auch unisono geführten Parts.
In solche sinnlich fantasievolle Klangwelten wurde diese Halle mit ihrem stimmungsvollen Ambiente und einer farbenreichen Lichtregie wohl in dieser Form noch nicht getaucht! Aber das Konzert mit Daniel Herskedals formidabler Band beweist einmal mehr, dass es geradezu Pflicht ist, dieses großartige Industriedenkmal zu einem regelmäßigen Ort nicht für irgendwelche Unterhaltungsevents, sondern für echte Kulturereignisse zu machen. Der Standort am Nordrand von Herten schließt auch geografisch eine Lücke auf der Kulturlandkarte im Ruhrgebiet. Dieser Abend im Rahmen der FineArtJazz-Konzertreihe sollte ein wichtiges Statement dafür sein.