Zwischen Moerser Kreuz und Ostkreuz
Michael Schiefel und JazzIndeed in Moers
TEXT: Klaus Hübner | FOTO: Helmut Berns
Mit riesigen Schiefelschritten nähert sich für den aktuellen Improviser in Residence seine Amtszeit dem Ende. Im Studio des Schlosstheaters Moers stand Michael Schiefel mit seiner Berliner Band „JazzIndeed“ zum letzten Mal in dieser Funktion – vor dem Übergabekonzert mit seiner Nachfolgerin am 25. Januar 2014 - im Rampenlicht und präsentierte den wenigen Zuhörern ein (fast) rein akustisches Konzert. Inklusive iPad, auf dem Schiefel seine live erzeugten Soundsamples speicherte und wieder in den musikalischen Kreislauf einspeiste. Der stimmakrobatische Jazzsänger aus Münster und als Professor in Weimar tätige Künstler fühlte sich im Laufe des Abends in der Intimität des Studios sichtlich wohl und steckte damit die von weither angereisten Musiker an.
Zur letzten Vorstellung hatte Michael Schiefel seine „Uralt-Leib- und Magenband“ JazzIndeed aus Berlin an den Niederrhein geholt, die gemeinsam mit ihm musikalischen Mischmasch aus verschiedenen Zeitaltern präsentierte: Neue Deutsche Welle, berlinspezifisches Liedgut, popartiges Feingefühl. „Auf der Umgehungsstraße kurz vor den Mauern unserer Stadt, steht eine Nervenklinik, wie sie noch keiner gesehen hat“ - texttreu coverte JazzIndeed den Erfolgsschlager „Der goldene Reiter“ von Joachim Witt, ein Song, dessen luftig-lockere Sperrigkeit durch Michael Schiefel ein fast zärtliches Gerüst erhielt. Ironie oder tiefere Bedeutung? Von beidem etwas, von beidem ein Quantum Energie, und die Tatsache, dass längst Vergangenes nicht vergangen sein muss. Einige Töne schauten als Großstadtmusik für die kleine Mittelstadt Moers um die Ecke, und Schiefels Vokalisen entwickelten eine Formensprache, die dem anfänglichen Wohlklang einen stürmischen Kehraus bereiteten.
Das Programm setzte sich überwiegend aus Songs zusammen, die JazzIndeed vor zwei Jahren auf der CD „Ostkreuz“ versammelt hatte. In der Besetzung Michael Schiefel (Gesang, electronics), Jan von Klewitz (Saxophon), Bene Aperdannier (Piano), Paul Kleber (A-Bass, E-Bass) und Rainer Winch (Schlagzeug) ließ die Band wieder einmal „Imchen“ (Havel-Insel) und „Vilshofen“ (bajuwarisch dezent (?) aber nicht unfreundlich - musikalisch auferstehen und verbeugte sich vor der „Autobahn“ von Kraftwerk. „Die letzte U-Bahn geht später“ - in Moers, der U-Bahn-losen Grafenstadt kein Problem, obwohl Michael Schiefel von der Frage umgetrieben wurde, ob Moers den nun eine Großstadt sei oder Nein!! Als dann auch noch das musikalische Statement „Auf'm Dorf“ sich in Chaos auflöste und der Schlagzeuger mit seiner Schießbude allein zurückblieb, lag die Antwort auf der Hand: derartig aggressive und laute Lärmwellen entstehen in der Großstadt. Und die Krone setzte das Quintett der bis dato unbeantworteten Großstadt-Berlin-Frage mit David Bowies „Heroes“ auf. Mit dieser Hymne war auch JazzIndeed ein Held für einen Tag – nur schade, dass viele Mittelstadt-Moerser davon nichts mitbekamen.