Zwei Ausnahmemusiker im feinziselierten Dialog
John Abercrombie und Marc Copland im domicil
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Und wieder ein Highlight während der 23. Jazztage in Dortmund: Im domicil tritt mit John Abercrombie und Marc Copland ein Ausnahme-Duo auf, zu erleben ist ein kammermusikalischer Zwei-Stimmen-Gipfel mit Musikern mit einem unverwechselbaren Individualsound aus Gitarre und Klavier. Jemand in der ersten Reihe singt kaum merklich, als die beiden Musiker die Bühne betreten, Abercrombie nimmt dies sofort auf. Ihm gefällt dies, im Laufe des Konzertes wird deutlich, woran das liegt: Das Duo pflegt eben selbst einen sehr vokalorientierten Instrumentalstil. Ihre Stücke – viele von ihrer letzten CD 39 Steps – beginnen mit einem songhaften Motiv, das beide Instrumente im Unisono vortragen, um sich in vielfältigen Variationen und in immer wieder neuen Changes mäandernd zu entwickeln. Die Melodieführung wie etwa bei den sehr ruhigen Stücken wie der Ballade As It Stands oder dem The Pajama Game oder dem traurig-melancholischen Tears wird raffiniert mit immer neuen Harmonisierungen versehen, bei denen beide Musiker sich als Experten für Spannungsverläufe erweisen. Sie treten mit zurückhaltendem Temperament in einen feinziselierten Dialog, ihre jeweilige Kunstfertigkeit ist frei von solistischer Angeberei, sondern stellt sich in den Dienst eines nuancenreichen und fokussierten Zusammenspiels, eines organischen Klanggeflechts aus vielfältigen Miniaturen. Man hört diesem Duo an, dass zwei Meister auf eine jahrzehntelange gemeinsame Spielerfahrung zurückblicken können, in ihren Ausflügen kehren sie traumwandlerisch immer punktgenau zu den Harmonien und Melodielinien ihres musikalischen Ausgangsmaterials zurück.
Zum Teil nimmt sich Abercrombie nach Phasen unaufhörlichen eloquenten Parlierens auf seiner Headless-Gitarre – und er hat unendlich viel zu erzählen - mit reinem Akkordspiel zurück und lässt Copland Raum für perlende Läufe auf den Tasten. Dessen Spiel zeigt eine große Variationsbreite vom introvertierten Legato bis zum zupackenden Anschlag mit intensiver Bedienung des Pedals – eine Spielweise, die Copland in die Traditionslinie der feinsinnigen Jazzpianisten etwa eines Bill Evans setzt. Bei der musikalischen Grundierung des Abends mit ruhig-intimen Farben fällt My Funny Valentine mit attack- und temporeichem Ansatz aus dem Rahmen, das Duo kultiviert seine spielerische Energie eher durch ein stupend konzentriertes Interplay. Das letzte Stück des Abends vor einer noch einmal kontemplativen kurzen Zugabe gemahnt an einen Countrysong, seine bluesigen, fast lieblichen melodischen Andeutungen, v.a. die entrückte Spielweise versetzen das Auditorium in ein Glücksgefühl - selten erlebt man ein Konzert, bei dem die Konzentration der Agierenden auf der Bühne sich beim Publikum in dieser Form widerspiegelt.
Dass bei einem Konzert der feinsinnigen Klangkunst der ständig brummende Lautsprecher des Weltklasse-Gitarristen selbigen nicht, wohl aber die Zuhörer zumindest in den ersten Reihen stört, verwundert dabei schon. Dies trübt jedoch nicht die Euphorie über ein rundum gelungenes Konzert von zwei Ausnahmemusikern.