Xu Fengxia und Martin Blume bei Chen Ruo Bing
Energetisch hochgeladener Klangraum
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Der Tradition entsprungene abstrakte Kunst aus China zu zeigen, ist das Konzept der gerade im Kunstmuseum Bochum eröffneten Ausstellung des chinesischen Malers Chen Ruo Bing. Was liegt da näher, als zur Eröffnung und zum anschließenden Sommerfest eine chinesische Musikerin einzuladen, die von ihrer Biographie und ihrem ästhetischen Ansatz her genau das genannte Konzept auf die (improvisierte) Musik überträgt? Xu Fengxia ist in China als Solistin für Sanxian, ein bundloses 3-Saiten-Instrument, „klassisch“ ausgebildet. Den Weg einer Musikerin der klassischen chinesischen Musik hat sie dann immer wieder verlassen, indem sie beispielsweise ihr Instrument für Stücke von Paganini einsetzte oder in den 80er Jahren den E-Bass in Chinas erster Frauenrockpunkband spielte. Bereits in Shanghai begann sie, frei zu improvisieren. Seit den 90er Jahren lebt sie in Deutschland, seit der Zeit arbeitete sie intensiv mit der Wuppertaler Musikszene, vor allem mit Peter Kowald, zusammen. Von da an hat sie mit vielen namhaften KünstlerInnen, die sich der improvisierten Musik widmen, auf nationaler und internationaler Ebene musiziert. Daneben ist sie bis heute eine anerkannte Interpretin von zeitgenössischen chinesischen Komponisten.
Ihr Auftritt im Bochumer Kunstmuseum beginnt mit einem Solo. Xu Fengxia singt - begleitet auf dem Sanxian - eindringlich eine südchinesische Melodie zu einem buddhistischen Gebetstext, den sie – im Gesangsmodus verbleibend – stellenweise übersetzt. Hierbei geht es um Naturphänomene, die den Weg eines Baches zum Fluss und letztlich zum Ozean beschreiben. Verschmitzt überführt sie ihr traditionelles chinesisches Instrument in die Klangwelt des Blues, es erinnert an die typische Banjo-Spielweise, wie man sie aus der „Tradition“ des Mississippi-Deltas kennt.
Anschließend entwickelt sich eine intensive Interaktion zwischen Xu Fengxia an der Guzheng, einem pentatonisch gestimmten zitherähnlichen Instrument mit 21 Saiten, und ihrem Mitspieler, dem Drummer und Perkussionisten Martin Blume . Dieser ist in Bochum mit seinen Reihen ‚Klangbilder’ und ‚soundtrips NRW’ sozusagen ein Dauergast, bekannt und beliebt für sein bei den verschiedensten Besetzungen mit unterschiedlichen Temperamenten einfühlsames Spiel. So auch dieses Mal: Erwartet er von seiner Mitspielerin ein optisches Signal für seinen Einsatz, ist er zunächst etwas überrascht von der gesanglich verpackten Aufforderung von Xu Fengxia. Doch sofort entwickelt sich zwischen beiden ein ausgesprochen filigranes Zusammenspiel, das zwischen zurückgenommenen, fast stillen Phasen und solchen mit unbändiger Dynamik changiert. Die konzentrierte musikalische Kommunikation von Xu Fengxias Stimme und ihrer variationsreichen Spieltechnik und ebensolcher von Martin Blume erreicht einen energetischen Siedepunkt, der sich im tobenden Applaus der Zuhörer entlädt. Die Begeisterung erklärt sich über die musikalische Leistung hinaus bestimmt auch aus der sympathischen Art und Weise, wie Xu Fengxia ihre Rolle nicht so sehr ernst nimmt und diesen oppositionellen Gestus genießt.
Die Zugabe entwickelt sich noch einmal mit gewisser Dramatik, vor allem mit noch einmal gesteigerter energetischer Dynamik: Wegen abgebrochener Fingerplektren, mit denen die Guzheng normalerweise gespielt wird, besinnt sich die unbändige Xu Fengxia darauf, ihr Instrument mit Schlägen zu behandeln und vor allem ihre modulationsreiche und dynamische Stimme zu einem geradezu furiosen Duo mit Martin Blume einzusetzen. Das Publikum wird in dieses Kraftfeld mit natürlicher Begeisterung einbezogen, der Saal des Kunstmuseums ist mit klanglicher Energie aufgeladen, ein kräftiges Gewitter draußen passt zu diesem Finale, wer weiß, welche Tropfen von diesem zu einem Bach, zu einem Fluss und zum Ozean führen.
In NRW kann man weitere Kostenproben von Xu Fengxia, dem sympathischen Energiebündel und der hervorragenden Musikerin, in diesem Jahr erleben:
26.8.: Münster, Shangyin Trio mit Jan Klare und Dirk-Peter Kölsch
10.11.: Hagen, Soundtrips NRW