Bild für Beitrag: Wynton Marsalis Is Back to Basics | Eindrückliche Lektion in Jazzgeschichte
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Wynton Marsalis Is Back to Basics

Eindrückliche Lektion in Jazzgeschichte

Dortmund, 14.02.2020
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Back to Basics – der Wynton Marsalis-Titel ist bekanntermaßen auch das Programm des weltbekannten Ausnahme-Trompeters, Managers und Künstlerischen Leiters der Sparte Jazz am renommierten Jazz at Lincoln Center. Der seit Jahrzehnten die Jazzgemeinde polarisierende Musiker und unermüdliche Botschafter des Jazz kommt zum wiederholten Male ins Konzerthaus Dortmund und trifft auf eine Fangemeinde, die konzentriert zuhört und zumindest in der Zugabe fingerschnippend empathische Regungen zeigt. Konzentration ist in der Tat eine gute Voraussetzung, um diesem hochkarätigen Ensemble mit einer Musikerin und 14 Musikern bei ihren Ausgrabungen der Jazzgeschichte zu folgen.

Bereits der Einstieg mit dem Miles-Klassiker Milestones mit seinen schmissigen und messerscharfen Bläsereinsätzen zeigt, was der gesamte Konzertabend bietet: eine überaus energetische Big Band mit vielen Spitzen-Soli, einen überzeugenden Gesamtsound, der die Botschaft Marsalis‘ nachempfinden lässt, dass der Jazz originär vor allem eine US-amerikanische Kulturleistung ist. Wynton Marsalis moderiert jeden Titel persönlich an und hebt dabei die jeweiligen jazzhistorischen Hintergründe hervor. Wayne Shorter kommt mit zwei Titeln vor: dem temperamentvollen Yes or No und dem introspektiven Contemplation – Letzterer mit einer wunderbaren Einlage der Blechbläser mit ihren gestopften Instrumenten. Stilistisch ist die kleine Big Band breit aufgestellt: Die Komposition des – übrigens herausragenden - Band-Bassisten Carlos Henriquez The Crave bringt Latin-Feeling ins Konzerthaus, Dave Brubecks Strange Meadowlark wird mit einem Bariton-Sax-Solo eingeleitet und gibt im Swing-Rhythmus Gelegenheit zu verschiedenen weiteren Soli, die Interpretation von Dizzy Gillespies Jam Did-Le-Bah basiert vor allem auf Scatgesang der Musiker, den Wynton Marsalis auf seiner gestopften Trompete gekonnt aufnimmt, um im Kollektiv den Kessel zum Kochen zu bringen. Die Verbeugung vor dem Jazztrompeter Lee Morgan erfolgt mit Ceora in einer subtilen, fast schon zu gefälligen Präsentation, auf die Back to Basics folgt. Wynton Marsalis spielt seine Hommage an die Trompeter-Legende Louis Armstrong mit viel New Orleans-Feeling, seine „sprechende“ Trompete passt sich in gelungener Balance ein in die fein abgestimmten Dynamikveränderungen. Der Ausklang des Stücks erfolgt glockenspielartig im Diskant des Pianos. Ebenfalls aus der Feder eines Trompeters, Marcus Printup, stammt Salvation, Serenity, Reflection, bei der der Komponist mit seinem markanten und ergreifenden Trompeten-Solo allein die Konzerthalle beschallt. Das letzte Stück des Abends (Attencheone, Attencheone!) ist eine Komposition des Posaunisten Vincent Gardner, eine Uptempo-Nummer mit beeindruckendem anschwellenden Bläsereinsatz. Als Zugabe zieht Wynton Marsalis in kleiner Besetzung am Bühnenrand das Publikum mit einem hochvirtuosen Spiel in Bann, bevor die stehenden Ovationen die Großformation noch einmal mit Neal Heftis Softly with Feeling auf die Bühne zurückholen – der Titel charakterisiert genau die Musik und die Interpretation dieses Songs.

Der Abend zeigt, dass genau darin die Stärke von Wynton Marsalis und seiner Band besteht: in dem Arrangement des „historischen“ Materials, in dem Wie der Interpretation, das man nur als erstklassig bezeichnen kann. Der fein ziselierte Gesamtsound und die solistischen Einzelleistungen der Musiker lassen die Ausgrabungen aus den Tiefen der Jazzgeschichte als perfektes Original erscheinen. Marsalis prägt insistierend, ja geradezu belehrend das Bild vom Jazz als einer Tradition, die gepflegt sein soll, die an die kulturellen Wurzeln des Jazz erinnert und das traditionelle Idiom mit möglichst perfektem Spiel ins Heute übersetzt. Vertretern der Position, die im Jazz eher das Merkmal des Provisorischen und Improvisatorischen, des Widerständigen gegenüber dem Etablierten sehen, ist der Ansatz von Marsalis zu glatt, zu neo-klassizistisch. Von der Leistung Marsalis‘ und seiner Band ist man trotzdem beeindruckt – zurecht.


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