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Wunderbare Entdeckungen

Jazzfest Wien 2012

Wien, 08.07.2012
TEXT: Bernd Zimmermann | FOTO: Bernd Zimmermann

So hatte sich das keiner vorgestellt. Das Jazzfest Wien 2012 findet statt und in dieser wunderbaren Stadt herrschen 35 Grad im Schatten. Für Publikum und Musiker eine Herausforderung der besonderen Art, die sich lohnte.

Auch "Wien und Jazz" ist eine poetische Verbindung, denn neben Wiener Klassik, Walzer und Oper gibt es hier auch in Sachen Jazz, Blues, Soul, Worldmusic oder Downbeat viel zu entdecken. Alljährlich im Sommer während des Jazz Fest Wien beweist sich die Stadt auch als Metropole des Jazz und verwandter Genres. Kein Wunder, denn das Jazzfest Wien gehört seit 1991 neben Rotterdam und Montreux zu den Hochkarätern der Jazz-Festivals in Europa, ja der Welt. In diesem Jahr präsentierte das Festival so Legenden wie Herbie Hancock, Keith Jarrett mit Gary Peacock und Jack DeJohnette, Rufus Wainright, Bobby McFerrin und John Scofield.

Auch das Publikum ist manchmal etwas anders. Vor allem bei den Konzerten in der Staatsoper gehts elegant bis extravagant zu. Kein Wunder, denn die Wiener Staatsoper zählt zu den führenden Opernhäusern der Welt. Im Sommer verwandelt sie sich allerdings in ein Mekka der Jazzwelt. Das 1869 erbaute Opernhaus an der Wiener Ringstraße bildet einen exklusiven Rahmen für stimmungsvolle Konzerte von Jazzgrößen wie etwa Keith Jarrett oder Oscar Peterson, Stars wie Ray Charles oder Natalie Cole ebenso wie von R.E.M., Bossa Nova Erfinder Joao Gilberto oder der Rock-Legende Stevie Winwood spielten hier schon auf.

Nicht weniger beeindruckend die Liste der Musiker, die in den Clubs der Stadt, wie z.B. dem "Porgy & Bess" in der Riemergasse oder dem "Jazzland" am Schwedenplatz aufgetreten sind. Und hier trifft man dann auch den echten Jazzfan.

Und so folgte das Publikum in der Staatsoper brav dem Konzert der Melody Gardot, brachte zur selben Zeit das Mike Stern/Richard Bona Quartett, mit Dave Weckl (drums) und Saxofonist Bob Franceschini den Jazzclub Porgy & Bess im wahrsten Sinne des Wortes zum Kochen. Bei gefühlten 50 Grad hatte kein Musiker und kein Besucher mehr einen trockenen Fetzen am Leib, und dennoch wollten die Leute die Vier einfach nicht von der Bühne lassen. Dieses Problem gab es in der Staatsoper nicht. Zum einen, weil hier die Temperaturen allein baulich bedingt nicht so hoch waren und andererseits das von Melody Gardot vorgetragene Programm weder musikalisch noch emotional dazu geeignet war in Beifallsstürme auszubrechen. Zudem war wegen einer extrem geringen Bühnenbeleuchtung für die weiter entfernt Sitzenden kaum etwas zu sehen. Mit zu viel zur Show geratener Fragilität und meist zu lang und monoton präsentierte "die Gardot" ihre Songs des aktuellen Albums "The Absence".

Deshalb war der Höhepunkt des Abends wohl eher das Konzert von Gregory Porter, der mit seiner an Sammy Davis Jr. erinnernden Stimme trotz konsequent nicht stattfindender Lightshow begeisterte. Erfrischend natürlich und sichtlich stolz auf sich und seine Mitstreiter und weil er an dieser alt-ehrwürdigen Konzertstätte spielen durfte.

Ein Tag später an gleicher Stelle. Zum zweiten Mal innerhalb von vier Tagen Herbie Hancock. Fit und gut gelaunt rockte er auch in der Wiener Staatsoper wie schon in Niendorf. Eine lebendige witzige Moderation und eine gnadenlos präzise prickelnde und spannungsgeladene Musik. Ob alle Zuschauer in der Staatsoper damit etwas anfangen konnten bleibt offen.

Zu guter Letzt ging es dann noch ins Jazzland am Schwedenplatz. Der 1972 gegründete Jazzclub, führte internationale Stars mit heimischen Musikern zusammen und bereicherte so das Wiener Kulturleben um den Jazz.

Neben so gut wie allen prominenten heimischen Musikern traten weit über 300 US-Stars im Keller unter der Ruprechtskirche auf - von Blueslegenden wie Roosevelt Sykes, Memphis Slim, Big Joe Williams und Little Brother Montgomery, klassischen Jazzmusikern wie Wild Bill Davison, Bud Freeman und Jimmy McPartland, Swingern wie Teddy Wilson, Clark Terry, Harry "Sweets" Edison und Benny Carter, Modern-Jazzern wie Art Farmer, Eddie "Lockjaw" Davis, Ray Brown und Herb Ellis und Avantgardemusikern wie Dave Liebman, Lee Konitz und Paul Motian. Und auch gastronomisch bietet das JAZZLAND seinen Gästen durchaus eine solide Wiener Küche. Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat oder z.B. Cevapcici.

Nach dem Betreten des Jazzlands wird sofort klar, hier ist Jazzgeschichte lebendig und einen Ort wie diesen gibt es nicht mehr viele auf der Welt. So mag sich der Jazzfan, der den Jazz der 50iger und 60iger Jahre nicht mehr live erlebt hat den Jazzclub vorstellen. Die Wände der Gewölbe voller Fotos von Jazzveteranen, die diesen Club bereits bespielt haben. Kopf und Herz dieses Jazzclubs ist Axel Melhardt, der den Club seit nunmehr 40 Jahren leitet und den man auch immer noch regelmäßig dort antrifft.

In der klassischen Art und Weise hatte Axel Melhardt im Rahmen des Jazzfest Wien für eine ganze Woche den US-amerikanischen Saxophonisten Scott Hamilton engagiert, der die Stile der Großen Meister der Swing Ära wie Coleman Hawkins, Ben Webster und Lester Young in einer vollkommen neuen Weise frisch und lebendig interpretiert ohne sie zu kopieren. Es war ohne Frage ein einzigartiges Erlebnis.

Fazit: Das Jazzfest Wien ist eine Reise wert. Aber besonders die beiden Clubs "Porgy & Bess" und das "Jazzland", die ganzjährig Live-Jazz vom Feinsten präsentieren können den jazzbegeisterten Wienreisenden nur wärmstens ans Herz gelegt werden. In der ersten Septemberwoche wird übrigens Benny Golsen für eine Woche im Jazzland sein.

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