Wo der Jazz mit dem Schnee tänzelt
Snow Jazz Gastein 2014
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Josef Maier
Ein Blick durch das Sägewerk genügt und man sieht wieder viele bekannte Gesichter aus dem Vorjahr. Das „Snow Jazz Gastein“ kann sich längst eines Stammpublikums sicher sein. Da weiß der Jazzfreund von nah und fern schon, wann er seinen Urlaub zu nehmen hat. Und wie Urlaub fühlt es sich ja an. Da wird das nur eine Autostunde von Salzburg entfernte Gasteinertal im März nicht nur zur Jazzhochburg; die Gegend ist auch eine bekannte Ski- und Kurregion. Mit Schnee und Jazz zwei Dinge zusammenzubringen, die eigentlich nicht viel miteinander zu tun haben, diese Idee hatte Sepp Grabmaier vor 13 Jahren. Und auch die diesjährige Ausgabe seines sympathischen und musikalisch immer hoch interessanten Events zeigte, dass Schnee und Jazz doch zusammen funktionieren können.
Ein paar wenige Konzerte nämlich finden immer auch auf Skihütten oben in den Bergen statt. Und wer die „OstBeatBend“ aus Salzburg beim Festival-Auftaktkonzert in einem örtlichen Autohaus sah und dann tags darauf open air vor der Feldinghütte, direkt von der weißen Pracht umgeben, der hörte eine irgendwie inspirierter und befreiter aufspielende Band, die bunte Lieder vom Balkan und Osteuropa auch mal mit kratziger Rockgitarre herrlich aufpeppte.
Ein erstes Highlight gab es dann am ersten von insgesamt vier Abenden im Sägewerk zu erleben. An beiden Wochenenden des neuntägigen Festivals steht immer genau diese Location im Mittelpunkt des Geschehens. Das zum gemütlichen Jazzclub umgebaute Gebäude in Bad Hofgastein war früher tatsächlich ein Sägewerk und gehörte dem Vater von Sepp Grabmaier. In Eigenregie wurde es umgebaut und ist seit dem Jahre 2000 nun zur echten, ganzjährig geöffneten Heimat für Live-Jazz geworden. Das „Iiro Rantala String Trio“ begeisterte das vollbesetzte Sägewerk. Dieses relativ neue Trio hat gerade mit „Anyone With a Heart“(ACT/edel Kultur) die erste gemeinsame CD veröffentlicht, die natürlich im Fokus des Konzertes stand. Iiro Rantala zeigte sich einmal mehr als melodienverliebter Musiker, der mit wenigen Noten Magie erzeugen zu vermag, die sich sofort ins Ohr einnistet. Und die sich zusammen mit den Klängen der kroatischen Cellistin Asja Valcic und des polnischen Geigers Adam Baldych zu einer folkloristisch jazzigen Kammermusik entwickelt, von der man sich beim Zuhören zwangsläufig verzaubern lässt. Auch weil es dem Trio gelingt, immer am Seichten vorbei zu musizieren.
Bildstarke Klangwelten voller Esprit
Adam Baldych blieb dann gleich vor Ort, um zwei Abende später die Weltpremiere eines neuen Quartetts mit dem Akkordeonisten Luciano Biondini in dem feinen Ambiente des luxuriösen Grand Park Hotels in Bad Hofgastein zu feiern. Einen Tag vor dem Konzert traf der Pole Biondini erstmals persönlich und auch mit dem Rhythmusduo Michel Benita (Bass) und Philippe Garcia (Schlagzeug) hatte Baldych nach eigenem Bekunden zuvor erst einmal zusammen Musik gemacht. Kompositionen des Polen und des Italieners bildeten die Basis dieser vielversprechenden neuen Formation. Die schuf mit ihrem mediterranen und weiter östlich in Europa angesiedelten World Jazz schon nach den nur wenigen gemeinsamen Proben bildstarke Klangwelten voller Esprit, Improvisationswitz und starken Geschichten, in denen man sich wunderbar verlieren konnte.
Verlieren, das konnte man sich auch in der Musik des Duos „Ajvar & Sterz“. Die bosnische Sängerin Natasha Mirkovic und der österreichische Drehleier-Spieler Matthias Loibner verwandelten Volkslieder vom Balkan und dem Alpenraum oder auch mal ein albanisches Klagelied in häufig melancholische Kleinode, die vor allem durch die exotisch anmutende, elektrisch verstärkte Drehleier, deren Klänge Loibner mitunter sampelte und bei Bedarf sein Spiel damit anreicherte, aufregend klangen. Musik voller Seele, aber auch Lebendigkeit, die Sepp Grabmaier zudem in der intimen Keller-Bibliothek mit integrierter Bar des Hotel Kärnten perfekt platziert hatte.
Perfekt platziert war auch das österreichisch-iranische Quartett „Choub“ beim Jazzbrunch im alpinnostalgischen Design-Hotel Miramonte in Bad Gastein. Und am letzen Tag bot das Festival endlich auch unterhalb der Berggipfel, was es im Namen schon verspricht – „snow“. Es schneite wie verrückt. Ein herrliches Panorama, wenn man rausschaute und gleichzeitig der süffigen Mischung lauschte aus persischer Lyrik und Musik, die Verknüpfungspunkte mit dem Jazz sucht und findet, sich darin aber nie gefangen nehmen lässt. Betörend der Gesang der charismatischen Frontfrau Golnar Shahyar und das Gitarrenspiel ihres Landsmannes Mahan Mirarab, köstlich das anschließende üppige Buffet. Ein echtes Schmankerl für Rundumgenießer!
"Goes east"
Man könnte noch einige weitere große Momente erwähnen, die Sepp Grabmaier unter dem diesjährigen Festivalmotto „goes East“ hatte entstehen lassen. Etwa den Auftritt des „Moscow Art Trio“, das mit seinem zeitlosen, avantgardistischen Folklore-Jazz so gar nicht trendy, dafür aber immer tief empfunden, ehrlich und auch spaßig klang. Den Schalk im Nacken hatte immer auch ein Trio, das in genau der Besetzung zuvor erst ganz wenige Male zusammengespielt hatte. Die beiden Österreicher Georg Breinschmid (Kontrabass) und Benjamin Schmid (Geige) und der bulgarische Pianist Antoni Donchev sorgten im Sägewerk für einen fulminanten Schlusspunkt. Mit einer improvisationsfreudigen, spritzigen Musik zwischen allen Stühlen, bei der sogar ein Walzer herrlich zersägt wurde.