Wirklich Spannendes
Nida Jazz Maratonas 2012
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Remigijus Mockus
Ist das hier wirklich Osteuropa? Oder nicht doch eine Region am Mittelmeer? Heiß bläst der Wind in Nida am letzten Festivaltag und die Temperaturen deutlich jenseits der 30 Grad-Marke sorgen dafür, dass dieser Wind kaum zur Abkühlung taugt.
Tagsüber geht es ja noch. Da kann sich der Jazzfreund an den schönen langen Strand begeben und sich im kühlen Baltischen Meer erfrischen. Aber abends? Doch rechtzeitig sorgt ein kurzes, aber heftiges Gewitter für frischere Luft. Pünktlich zu Konzertbeginn ist wieder Ruhe und fast alles trocken. Leonid Shinkarenko kann aufatmen. Denn sein kleines, aber feines Festival, der „Nida Jazz Maratonas“, stand letztendlich unter einem guten Stern. Die Konzerte am Hafen von Nida, den auch bei der Prominenz Litauens so beliebten Ferienort auf der Kurischen Nehrung an der wunderschönern Küste des südlichsten Baltenstaates, waren gut besucht und es war wirklich Spannendes im Programm zu finden.
Etwa der Auftritt des Schweizer Trios vein mit dem litauischen Saxofonisten Jan Maksimovic, den der Festivalleiter und renommierte Bassist Leonid Shinkarenko übrigens für den besten Saxofonisten des Landes hält. Die beiden Brüder Michael Arbenz (Piano) und Florian Arbenz (Schlagzeug) sowie Bassist Thomas Lähns hatten Maksimovic auf einem anderen Festival in Litauen kennengelernt und später dann einen gemeinsamen ersten Auftritt gehabt. In Nida spielten sie auf der Open Air-Bühne am Hafen somit erst das zweite Mal zusammen. Und es passt. Der grooveorientierte und dabei doch auch immer ein Stück frei und offen gehaltene Jazz der drei Schweizer bot dem emotionalen und fantasievollen Holzbläser aus Vilnius genug Räume für seine drängenden und spannenden Soli. Ihre neue CD „Lemuria – Live“ (Unit/Harmonia Mundi) bringen die Schweizer mit dem Saxofonisten Dave Liebman als Gast im Herbst heraus. Eine Klasse-Scheibe, aber wie in Nida mit Jan Maksimovic klingen vein keine Spur uninteressanter – im Gegenteil.
Während Ibrahim Ferrer Kindelan, der ebenfalls singende Sohnemann von Buena Vista-Legende Ibrahim Ferrer, mit seiner kubanisch-argentinischen „La Cuban Latin Group“ einfach nur richtig gut auch mit alten Hits seines verstorbenen Vaters unterhielt und dabei ein wenig zu bedauern war, weil er mit ganzen Schwärmen um seinen Kopf herum tanzenden Mücken zu kämpfen hatte, entpuppte sich das eher lapidar als „Dziazo Miniatiuros“, als jazzige Miniaturen angekündigte Konzert der Litauerin Giedre Kilciauskiene als echter Höhepunkt. Die abseits der Bühne auf den ersten Blick zumindest eher schüchtern wirkende Sängerin verwandelt sich auf der Bühne in eine stimmstarke Röhre. Ihre dreiköpfige Band um den Pianisten Andrej Polevikov servierte ihr einen bunten Mix aus pfiffig arrangierten Jazzstandards, Popsongs und einen alten litauischen Song. Wann hat man schon mal Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ als direkt ins Gesicht springende Swingnummer gehört?
Jetzt ist Nida für ein Jahr wieder in erster Linie Touristenort – ein besuchenswerter! Nicht umsonst wurde die Kurische Nehrung, dieser schmale Landstreifen, der knapp zur Hälfte zu Russland zählt, im Jahre 2000 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.