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Wie klingt Schweizer Jazz?

Eindrücke vom 36. Schaffhauser Jazzfestival

Schaffhausen, 31.05.2025
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Peter Pfister

Wie klingt Schweizer Jazz? Wohl nirgendwo sonst kann man dieser Frage jedes Jahr für ein paar Tage nachgehen wie im wunderschönen, am Rhein und Rheinfall gelegenen Schaffhausen, ganz im Norden der Schweiz, unweit zur Grenze nach Deutschland. Denn das Schaffhauser Jazzfestival, das seine 36. Ausgabe feierte, ist „die“ Werkschau des Schweizer Jazz, treten dort doch ausschließlich Schweizer Bands oder Künstler mit Bezug zur Schweiz auf. Und das ist hier nie als Limitation zu sehen, sondern als großartige Möglichkeit, die Szene eines Landes kennenzulernen.

Und wie tönt er nun, der Jazz der Eidgenossen? Ziemlich unterschiedlich, muss man sagen, wenn man das diesjährige Festival unterm Brennglas betrachtet und es auch schon ein paar jahre lang kennt. Er klingt zum Beispiel energiegeladen und fröhlich, total erfrischend und sympathisch. Wie bei Knobil, dem Trio der starken Lausanner Kontrabassistin und Sängerin Louise Knobil. Eine junge Frau zum Gernhaben. Schon wie sie ihre Ansagen auf der Bühne macht, in holprigem Deutsch mit französischem Akzent. Da ist man schon verzückt. Und die Musik erst. Lieder über Trennungen aller Art im Leben, oder das Öffnen eines Pesto-Glases im Lockdown – so tiefempfunden oder aberwitzig die Inspiration auch sein mag, Knobil machen daraus in der Besetzung Kontrabass & Gesang, Schlagzeug und Bassklarinette (letztere grandios virtuos gespielt von Chloé Marsigny) mit swingendem, groovigen Post-Bop und herrlichen Walking Bass-Linien ein totales Hörvergnügen, von dem man nicht genug bekommen kann. Als Zugabe dann noch der Jazzstandard „Cheek to Cheek“. Und auch damit verzaubert dieser Dreier.

Liebevolle Verrücktheit und Lebensfreude 

Der Schweizer Jazz kann aber auch Klangsuche bedeuten, wie beim direkt auf Knobil folgenden Auftritt von Gitarrist Christy Doran und Urs Leimgruber auf dem Sopransaxofon. Was für ein Kontrast zum zuvor Gehörten! Beim Trio die liebevolle Verrücktheit und die Lebensfreude und nun bei diesen beiden Schweizer Jazzlegenden die geräuschhafte Suche nach, ja wonach eigentlich? Hier improvisieren zwar zwei absolute Könner miteinander und das Ganze hat auch seine kurzen tollen Momente, aber vieles versackte einfach in der Belanglosigkeit. Das kann man vom Genfer Trio Wabjie so gar nicht sagen. Sängerin Soraya Berent, die auch einen Synthesizer-Bass bediente, Pianist Michel Wintsch und Schlagzeuger Samuel Jakubec forderten vom Publikum mit plötzlichen Stimmungswandeln und stets variierenden Rhythmen ein aufmerksames Zuhören. Was belohnt wurde mit unkonventioneller, unvorhersehbarer Musik, die wild auffrischte, aber ebenso mit schönen Melodien kurzzeitig beglückte. Zwischen Jazz, Electronica, Avantgarde und einem Hauch Progrock eine wunderbare Entdeckung.

Lyrisch, melancholisch, dann aber auch wagemutig und mit elektronischen Sounds experimentierend – das Colin Vallon Trio zeigte in Schaffhausen, warum es schon so viele Jahre zu den besten Klaviertrios Europas zu zählen ist. Denn die drei Schweizer um Pianist Colin Vallon nehmen den Zuhörer mit auf Klangreisen mit vielen kleinen Zutaten, schwebenden, luftigen Sounds, präpariertem Klavier und einer feingliedrigen Ästhetik. Schöne Klangwelten kreierte auch das So Lieb Quartet um die Trompeterin Sonja Ott und Schlagzeuger Philipp Leibundgut mit süffigem, herrlich entspannt fließenden Mainstream Jazz, der das Genre sicher nicht neu erfindet, aber sehr fein gespielt war. Hipperes Zeug gab es dann zum Festivalabschluss nach vier aufregenden Abenden von RLM zu hören, einem Trio mit dem Züricher Schlagzeuger Jonas Ruther, der Berner Rapperin Miss C-Line und dem Westschweizer Pianisten François Lana an Synthesizern und Samplern, die zudem den senegalesischen Rapper Gaston Bandimic als Gast dabei hatten. Respekt, wie Miss C-Line ihren großartigen Rap-Flow, aber auch souligen Gesang zu den ungerade geklopften Rhythmen vom Schlagzeug setzte. Lediglich vom Mann an den Tasten hätte manchmal mehr Input beigesteuert werden können.

Joscha Schraff wird neuer künstlerischer Leiter 

Nach 36 Ausgaben hat übrigens Mitbegründer Urs Röllin auf der Bühne seinen Rücktritt aus dem Organisationsteam des Festivals bekanntgegeben. Seinen Posten übernimmt künftig der junge Schaffhauser Pianist Joscha Schraff, der in diesem Jahr am ersten Abend seine neue, schon recht spannend tönende Formation Cork 5 vorstellte, in der mit Sonja Ott, Philipp Leibundgut und Louise Knobil doch gleich mal drei schillernde Künstler dieser Festivalausgabe mitwirken.

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