Weltklasse in organischer Architektur
Triosence bot in der Scharounaula vollendeten Hörgenuss
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Die Frage, ob ein Konzert mit einer Band, die bereits vor gut einem Jahr am selben Ort spielte, wirklich Neues hervorbringen kann, stellte sich unweigerlich. Nach zweieinhalb Stunden intensiver Musik war die Antwort eindeutig: Ja. Dieser zweite FineArtJazz-Abend mit der Band Triosence bewies eindrucksvoll, dass Wiederkehr nicht Wiederholung bedeutet – zumindest nicht bei Musikern dieses Kalibers.Bernhard Schüler am Piano, Omar Rodriguez Calvo am Kontrabass und Tobias Schulte an Schlagzeug und Perkussion schöpfen aus einem gewichtigen Erfahrungsschatz, der in der Marler Scharoun-Aula hör- und spürbar wurde: Sie zählen zu den erfolgreichsten Jazzbands Deutschlands, haben über ein Dutzend Alben veröffentlicht und arbeiteten mit Weltstars wie dem Trompeter Paolo Fresu zusammen. Nach China-Tourneen und zum 25-jährigen Jubiläum haben sie gerade ihr zehntes Album „Stories of Life" vorgelegt – und genau dieses Album prägte den Abend nachhaltig. Wie es der Titel vorgibt, „meinten" es die drei Musiker an diesem Spielort auch.
Gelassenheit statt Star-Gehabe
Was Triosence auszeichnet, ist eine künstlerische Gelassenheit, die aus Erfolg keinen Star-Kult ableitet. Ihr Selbstbewusstsein bleibt nahbar – gereift in der Gewissheit derer, die sich niemandem mehr etwas beweisen müssen. Diese Haltung überträgt sich unmittelbar auf die Musik und die Art, wie das Trio mit seinem Publikum kommuniziert.Das Setup war bewusst reduziert: Das Trio spielte fast vollständig akustisch. Nur zwei dezente Lautsprecher sorgten für minimale Verstärkung. Ansonsten entfaltete sich der pure, haptische Sound der Instrumente in der luftigen Akustik dieses Meisterwerks organischer Architektur, die sich dem rigiden Schuhkarton verweigert, damit die Energien umso freier fließen dürfen.Und so wirkte das Spiel des Trios: Schülers leichtfüßige Pianokunst, mit der er den Steinway geradezu zärtlich zum Klingen brachte, bildete das harmonische Fundament. Schultes feinsinniges, luftiges Schlagzeugspiel mit seinem Obertonreichtum erzeugte silbrig glänzende Klanglandschaften, die den Raum füllten, ohne ihn zu dominieren. Und im Zentrum immer wieder Rodriguez Calvo: Es gibt wohl keinen beseelteren Melodiker auf dem Kontrabass. Er fungiert als das melodische Herz der Band, und gleich zu Beginn ging die erste instrumentale „Singstimme" an ihn – ein programmatisches Statement.Wenn die Musik nach Afrika führte, erzeugte Rodriguez Calvo auf Anhieb die charakteristischen Begleitmuster eines traditionellen Saiteninstruments vom schwarzen Kontinent – organisch integriert, nie folkloristisch aufgesetzt. Schulte wiederum spielte mit Plastikrohren ein furioses Drum-Solo, das den Sound noch haptischer, physischer werden ließ und zugleich zeigte, wie weit der Begriff „Schlagzeug" bei ihm gefasst ist.
Biografische Tiefe, melodische Kraft
Die ausgefuchsten, aber zugänglichen Kompositionen pendelten zwischen melodiösem und modalem Fusion-Jazz, wenn wir hier eine stilistische Zuordnung versuchen wollen. Mal pentatonisch grundiert, mal von afrikanischen Einflüssen genährt, entfalteten die Stücke eine narrative Kraft, in der starke Melodien die Oberhand behielten – ein musikalisches Storytelling im besten Sinne. Schüler nahm sich viel Zeit, die biografischen Hintergründe der Kompositionen mit dem Publikum zu teilen: die Hommage an einen freigeistigen Onkel, eine Trauerballade für eine nahestehende Person, Reiseerfahrungen und musikalische Begegnungen. Diese Kontextualisierung verlieh der Musik eine zusätzliche erzählende Dimension – „Stories of Life" nicht nur als Albumtitel, sondern als künstlerisches Programm. Tatsächlich entfaltete das lange Konzert einen noch ausgewogeneren lyrischen Gesamtbogen als der Auftritt vor einem Jahr.„Woher kommt ihr?" Veranstalter Bernd Zimmermann hatte diese Frage zu Beginn des Konzerts ins Publikum gestellt – und die Antworten zeigten: Die Scharoun-Aula war an diesem Novemberabend weit mehr als ein lokaler Veranstaltungsort. Aus dem gesamten Ruhrgebiet, aus dem Rheinland, sogar aus den Niederlanden waren Fans angereist, um Triosence in diesem akustischen Juwel zu erleben.FineArtJazz trägt hier seit knapp zwei Jahren zur Wiederbelebung dieses Spielortes bei: Es geht nicht nur darum, Musik „in" Marl stattfinden zu lassen, sondern darum, dass von hier etwas weit nach draußen strahlt. Das Gastspiel mit Triosence, das zweite überdies innerhalb von zwei Jahren, wirkte auf jeden Fall wieder als verlässlicher überregionaler Publikumsmagnet.„Woher kommt ihr?"
Die Scharoun-Aula verdient mehr als nur "Musik in Marl"
Veranstalter Bernd Zimmermann stellte diese Frage zu Beginn des Konzerts ins Publikum – und die Antworten zeigten: Die Scharoun-Aula war an diesem Novemberabend weit mehr als ein lokaler Veranstaltungsort. Aus dem gesamten Ruhrgebiet, aus dem Rheinland, sogar aus den Niederlanden waren Fans angereist, um Triosence in diesem akustischen Juwel zu erleben. FineArtJazz leistet hier seit Jahren – zusammen mit circa zwei städtischen Kammermusik-Konzerten pro Jahr – eine überfällige Wiederbelebungsarbeit: Es geht nicht nur darum, Musik „in" Marl stattfinden zu lassen, sondern darum, dass von hier etwas weit nach draußen strahlt. Eine derart exquisite Spielstätte wie die Scharoun-Aula verpflichtet geradezu, hier mit einem kontinuierlichen internationalen Konzertprogramm über die alltäglichen Musikschulveranstaltungen hinaus zu wachsen - auch wenn dieser Bau natürlich in erster Linie Heimat der Musikschule der Stadt Marl ist. Das Gastspiel mit Triosence wirkte auf jeden Fall wieder zuverlässig, dass der Städtenamen Marl für sie künftig kein obskurer weißer Fleck auf der Landkarte mehr ist.
























