Weiss Guitars im Bochumer Kulturrat
Hommage an Häns’che Weiss und Martin Weiss
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Reiner Skubowius
‚Weiss-Guitars‘, ein Quartett unter der Leitung von Romani Weiss, war am 4. Juli im Bochumer Kulturrat zu Gast. Dort ist es inzwischen Tradition, im Sommer Konzerte mit Gypsy-Jazz durchzuführen, auch um damit ein Zeichen zu setzen gegen Rassismus und für Toleranz.
Die weitläufige Weiss-Familie ist für ihre Musik in der Nachfolge von Django Reinhardt bekannt.
Dem Gitarristen Häns’che Weiss und dem Violinist Martin Weiss ist das heutige Konzert gewidmet. Sie waren Cousins, sie haben auch viel komponiert und sind inzwischen leider verstorben. Ihre musikalische Tradition wird weitergeführt von anderen Mitgliedern dieser Sinti-Familie, heute von Romani Weiss, Manolito Steinbach und Kussi Weiss im Bochumer Kulturrat. Diese drei Gitarristen aus Berlin spielen heute zusammen mit dem Bassisten Andre Loos vor allem Stücke von Häns’che und Martin Weiss.
Traditioneller Gypsy-Jazz und neue Akzente
Schon vor dem Konzert fällt der Blick auf ein ungewöhnliches rotes Saiteninstrument mit langem Hals und sehr schmalem Korpus. Es handelt sich dabei um einen elektrischen Kontrabass. Ungewohnt, aber interessant. Mal sehen, was da kommt.
Im ersten Set sind vor allem traditionelle Kompositionen der beiden verstorbenen Weiss-Brüder zu hören wie ‚My melancholy baby’ und ‚Monsieur le Flic‘. Romani und Kussi Weiss spielen abwechselnd Solo- und Rhythmusgitarre, Manolito Steinbach ist durchgängig für den Rhythmus zuständig. Ein Schlagzeug wäre da überflüssig, denn der durchdringende Groove der beiden Rhythmusgitarren ist unverkennbar und lässt die anderen beiden Instrumente zeitweise verblassen. Soli von Andre Loos bringen mehr Abwechslung in die ansonsten von den Gitarren dominierten Stücke. Sein elektrischer Kontrabass klingt ganz ähnlich wie ein traditioneller, doch ist auch sein Erscheinungsbild nicht zu unterschätzen, das einen Eindruck von Modernität vermittelt. Könnte diese ‚Elektrifizierung‘ auf Ablehnung bei Gypsy-Fans stoßen, ähnlich wie damals Bob Dylan und in der Folk-Szene?
Romani und Kussi Weiss improvisieren auf ihren Solo Gitarren mal parallel, mal im Wechsel. ‚Them There Eyes’ läuft im Up-tempo. Unglaublich, wie schnell die Musiker spielen können.
Nach der Pause kommt Kussi Weiss mit einer elektrischen Gitarre auf die Bühne. Seine Soli klingen nun anders und erinnern z. B. an Wes Montgomery. Zusammen mit dem Bassisten sind nun zwei elektrische Instrumente im Einsatz. Das ist wirklich eine Bereicherung, wie auch der Applaus zeigt.
Zudem erweitert sich das stilistische Spektrum der Musik. Häns’che Weiss hatte in den 80er Jahren mit seinem Trio mit Martin Weiss und Vali Mayer modernere Genres und lateinamerikanische Musik in sein Repertoire aufgenommen. So hören wir nun den von Häns’che Weiss komponierten Bossa ‚Flowers‘, bei dem Gitarre und Bass im Wechsel solieren, gefolgt von einem prächtigen Bass Solo. Mit viel Beifall werden die Musiker belohnt.
Es folgen bekannte Stücke von Django Reinhardt wie ‚Nuages‘ und ‚I can give you anything but love‘. Kussi Weiss zeigt, dass eine E-Gitarre auch als Rhythmusgitarre gespielt werden kann. Als Zugabe noch ‚Sweet Georgia Brown‘ und ein schönes Konzert geht zu Ende, das trotz traditioneller Verbundenheit Akzente für eine Neuorientierung gesetzt hat.
Im Bochumer Kulturrat geht es bald in die Sommerpause. Das nächste Jazzkonzert findet am 5. September statt mit der Straight Ahead Big Band.
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