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WDR BIGBAND IN DER HENRICHSHÜTTE

Jazz in der Hütte - 'Windmills'

Hattingen, 17.05.2023
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert

Die WDR Big Band spielte am Freitag 12. Mai 202 im Gaskraftwerk des LWL-Museums Henrichshütte Stücke von Michel Legrand. Eingeladen waren dazu Trijntje Oosterhuis (Gesang) und Tineke Postma (Saxofon) aus den Niederlanden. Geleitet wurde das Konzert von Vince Mendoza, der auch alle Stücke arrangiert hatte.

Schön, dass die WDR Bigband es doch mal wieder schafft aus ihrem Kölner Schneckenhaus herauszukommen. Diese location ist wie geschaffen für eine so große Band und hat auch für ein Riesenpublikum Platz. Das neue Jazzformat des LWL-Museum Henrichshütte hatte bereits im März sehr erfolgreich mit einem Konzert von Chris Hopkins mit den Jazz Kangaroos begonnen. Nrwjazz hatte darüber berichtet und die location vorgestellt.
Heute nun ist die WDR Big Band für den Jazz in der Hütte zuständig und spielt Stücke von Michel Legrand. Das Konzert wird vom Landschaftsverband-Westfalen-Lippe in Kooperation mit dem Fachbereich Weiterbildung und Kultur der Stadt Hattingen präsentiert.

Mit ‚Windmills‘ ist das Konzert überschrieben wegen eines berühmten Stücks von Legrand, aber auch weil man damit oft Holland assoziiert, denn es sind zwei holländische Musikerinnen dabei: die Sängerin Trijntje Oosterhuis und die Saxofonistin Tineke Postma.

Michel Legrand

ist ein berühmter französischer Komponist, der im Februar 90 Jahre alt geworden wäre. Als musikalisches Wunderkind und nach einer Ausbildung bei Nadia Boulanger spielte er als Jazzpianist schon Ende der 50er Jahre u. a. mit Django Reinhardt, John Coltrane und Miles Davis zusammen. Außerdem hat er den Bossa Nova für den Jazz entdeckt. Er komponierte Soundtracks zu über 200 Filmen, u. a. zu Les Parapluies de Cherbourg mit Catherine Deneuve. Am bekanntesten ist Windmills of your mind, das besonders in der Version von Dusty Springfield bekannt geworden ist.

Im Programmflyer zum Konzert schreibt Mendoza: „Und ganz nebenbei hat Michel Legrand der Jazzwelt mit Songs wie »The Windmills of Your Mind« ... einige unsterbliche Standards hinterlassen. Mit prominenter Unterstützung aus den Niederlanden verneigen sich die WDR Big Band und der Composer in Residence Vince Mendoza vor dem Meister der Melodien.“

Regenschirme aus Cherbourg und mehr

Nun denn, los gehts. Die hochprofessionelle Band legt los mit einem Stück aus den Parapluies de Cherbourg‘ (1964) und Tineke Postmaam Altsax steht sofort im Vordergrund. Sie wirkt sehr unsicher, da hat das Lampenfieber wohl voll zugeschlagen, denn sie blickt nur auf die Noten und scheint auch ihre Soli dort abzulesen. Es ist aber auch eine große Herausforderung von einer so weltberühmten, über lange Jahre eingespielten Band gefeatured zu werden, in der jeder Musiker für sich schon ein hervorragender Solist ist. His Eyes Her Eyes und Scène du garage hören wir, auffällig sind diesmal die beiden Bassklarinetten, die oft zum Einsatz kommen.

Vince Mendoza moderiert zwischen den Stücken, weist mit einem Augenzwinkern auf das Jahr der jeweiligen Filme aus den 50er und 60er Jahren hin, als ob alle damals dabei gewesen wären. So alt sind die meisten nun auch wieder nicht.

Nun kommt Trijntje Oosterhuis auf die Bühne und alles ist anders. Sie singt Once Upon a Summertime, The Way He Makes Me Feel undSummer Me, Winter Me. Sie spricht das Publikum an, bedankt sich, berichtet von den Proben und singt mit ihrer warmen, vollen Stimme mit viel Körpersprache, ein überzeugendes Tenorsax Solo von Ben Fitzpatrick inklusive.

Überraschung nach der Pause. Nur noch 8 Bandmitglieder kommen auf die Bühne. Sie spielen mit Tineke Postma im Wechsel Watch what happens, in dem jeder der Musiker mit einem Solo brilliert. Das klingt viel lebendiger als der durchkomponierte Sound einer großen Big Band. Danach sind alle wieder da, u.a. mit Watch what happens, Dingo und The Summer Knows und mit besonders gelungenen Soli von Paul Heller (TenorSax), Ruud Breuls (Trompete) und Billy Test (Piano).

TRIJNTJE OOSTERHUIS und TINEKE POSTMA

Tineke Postma spielt Alt- und Sopransax und stammt aus dem niederländischen Heerenveen. Während der letzten Jahre hat mit Wayne Shorter zusammengearbeitet. Im Interview vergleicht Vince Mendoza ihren Sound mit Charlie Hodges. Gerade erst ist ihr erschienen. Wie unbeschwert und souverän sie spielen kann, kann man bei ihrem neuen, achten Album Aria bewundern.
Die Sängerin Trijntje Oosterhuis kommt aus Amsterdam. Nachdem sie mit der Saxofonistin Candy Dulfer um die Welt getourt war, begann vor 20 Jahren ihre Karriere als Solo-Sängerin. Ursprünglich vom Pop her kommend orientierte sie sich immer mehr in Richtung Jazz und arbeitete mit Toots Thielemans, Herbie Hancock und Al Jarreau zusammen.

Windmills and more

Round like a circle in a spiral, like a wheel within a wheel
Never ending or beginning on an ever-spinning reel
Like a snowball down a mountain or a carnival balloon
Like a carousel that's turning, running rings around the moon
Like a clock whose hands are sweeping past the minutes of its face
And the world is like an apple whirling silently in space
Like the circles that you find
In the windmills of your mind

Kurz nach dem Konzert lief auf ARTE der Film Thomas Crown ist nicht zu fassen (1968), in dem das Stück beim Rundflug eines Segelflugzeugs zu hören ist. Um Windmühlen gehts also gar nicht, geschweige denn um die Niederlande, eher um die ‚Mühlen im Kopf‘, die Gedankenströme, die sich in der Art einer Spirale Erlebnisse aufnehmen, erweitern, memorieren ..

Mendoza hat dieses melancholische Stück sehr gut für die Bigband arrangiert, die voll darauf einsteigt mit vielen Soli, u.a. von Andy Hunter auf der Posaune und dem dritten special guest Jeff Miles, der mit seinem rockigen Gitarrensolo an Andreas Wahl erinnert. Tineke Postma hat ihre anfängliche Befangenheit überwunden und liefert ein tolles Solo, geht doch!

Mindestens genauso gut kommt die Zugabe rüber: What are youn doing the rest of your life? Damit man nicht ins Grübeln kommt, legen die beiden Holländerinnen los und ergänzen sich optimal, die eine singt zeitweise etwas melodramatisch, die andere setzt recht coole, pointierte Läufe dagegen.

Das gleiche Konzert fand am nächsten Tag in der Kölner Philharmonie statt mit Live Stream. Beim WDR kann man sich es bis zum 12. Juni als Podcast anhören. In den knapp drei Stunden gibt es auch in der Pause ein Interview mit Vince Mendoza u.a. über die Auswahl der Stücke und weitere Informationen über die beiden Musikerinnen.

Hier eine Fassung der WDR Big Band vom Konzert "Big Band At The Movies" in der Kölner Philharmonie (Januar 2021) ohne die holländischen Musikerinnen:

LWL-Museum Henrichshütte

Vgl. Truffaz …

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