Wärme und Charisma
Otto Lechner beim Fringe-Festival
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Der Wiener Akkordeonspieler Otto Lechner spricht über seine Musik als eine „Tonsprache von Sentimentalität und deren Anfechtbarkeit.“ Das trifft es. Er entführte sein Publikum im Theaterzelt des Fringe-Festivals der Ruhrfestspiele in die Stimmungs- und Empfindungswelt seiner Heimatstadt.
Wärme und Charisma verströmt dieser grenzgängerische Vollblut-Musiker. Seine Spielkunst findet sich im Ziehharmonischen Orchester Wien vielstimmig multipliziert, kontrapunktisch bereicht und dynamisch überhöht. Und er ist viel zu viel ein progressiver, forschender Künstler, der sich an Jazz und Improvisation abarbeitete, als das hier etwa folkloristische Gefühlsduselei aufkommen würde.
Der Autodidakt am Akkordeon mit seiner überaus gewinnenden menschlichen Ausstrahlung spielte bereits mit vier Jahren im Wirtshaus. Später leitete und gründete er Jazzensembles, erhielt internationale Preise und hat schon mit Joe Zawinul, Dhafer Youssef und Georg Danzer zusammen musiziert.
Ein solch breitbandiger Erfahrungshorizont nährt die im Theaterwelt aufspielenden „Wiener Ziehharmoniker“ denkbar unprätentiös und kunstvoll zugleich: Da vernetzen sich sanft wogende Melodien zu meditativ fliegenden Teppichen, die das Publikum unaufdringlich, aber zuverlässig forttragen. Feinziselierte melodische Muster verästeln sich und so manche unberechenbare Harmonie sorgt für die nötige querdenkerische Reibung. Musette-Stilistik gehört dazu, manches könnte auch der Minimal Music entstammen. Dann ist es mal wieder jazzig und im nächsten Moment liedhaft. Oder osteuropäisch. Und oft manchmal auch alles zugleich!
Das Publikum im Theaterzelt ging mit. Reagierte dankbar auf Lechners charmante Anmoderationen, bevor er und seine Mitmusiker wieder mit der atmenden Klanglichkeit von einem Dutzend Akkordeons antworteten.