Von Urban Brass bis Sami-Folklore
Livebericht vom Trans4Jazz 2025
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Hans Bürkle
Energievoller hätte das diesjährige Trans4JAZZ-Festival kaum starten können als mit dieser coolen Truppe. Die Urban Brassband Moop Mama aus München sorgte gemeinsam mit der Hamburger Rapperin Älice im unbestuhlten historischen Konzerthaus von Ravensburg gleich mal für ausgelassene Stimmung und tanzende Beine. Und daran konnte auch ein längerfristiger Ausfall der Verstärkung von Gesang und Instrumenten nichts ändern. Da hüpft die Truppe eben einfach mal kurz runter von der Bühne und mischt sich mitten unters Publikum. Rapperin Älice schnappt sich ein Megaphon und weiter geht die Party mit wuchtigen, soulig-funkigen Bläsersätzen von den zwei Trompeten, den zwei Saxofonen und den zwei Posaunen, dem tiefen Puls vom Sousaphon und den treibenden Beats von gleich zwei Schlagzeugen. Lässiger Dancehall, Jazz, Funk, Soul und HipHop, alles schön zusammengerührt und mit den allerdings an diesem Abend leider nicht besonders gut verständlichen Texten von Älice garniert – eine animierende Mischung.
Das gilt zu 100% Prozent auch für den Auftritt von Salin. Die in Thailand geborene und nun im kanadischen Montréal lebende Schlagzeugerin Salin Cheewapansri und ihre sechsköpfige Band mischten in der so atmosphärischen Zehntscheuer einen eleganten, locker groovenden, manchmal leicht psychedelischen Sound aus Afrobeat, Jazz, Funk, Pop und Soul mit Klängen und Rhythmen aus dem Norden Thailands zusammen. Salin selbst agiert in ihrem selbsternannten „Afro-Isaan Soul“ dabei als absolute Teamplayerin. Kein Zurschaustellen des eigenen Könnens. Sehr sympathisch. Und vor allem hat diese junge Frau das auch gar nicht nötig, denn ihre Band mit zwei Bläsern, E-Gitarrist, E-Bassist und Keyboarder spielt in Ravensburg wie eine bestens geölte Maschine auf, weil Salin im Maschinenraum unaufgeregt den Motor mit ihren Rhythmen rundlaufen lässt.
Hier kamen Bassfreaks auf ihre Kosten
Das genaue Gegenteil von Salin ist Vincen García. Der Bassist steht schon optisch im Mittelpunkt seiner Band. Direkt ganz vorne am Bühnenrand positioniert sich der Spanier mit seinem E-Bass, nachdem er sich mit Musik und Sprüchen vom Band großspurig hat ankündigen lassen, während er und seine vier Jungs auf die Bühne schreiten. Show beherrscht García. Und klar kann er fantastisch und schnell Bass spielen, slappen und grooven wie Hölle. Aber seine zumeist rasende Funk-Jazz-Fusion, von den beiden Bläsern mit Schmiss nach vorne gepeitscht, erschlägt auf Konzertdauer. Auch weil alles irgendwie ziemlich gleich klingt. Bassfreaks und Fans von Show Off-Basssoli kommen bei Vincen García sicher auf ihre Kosten. Alle anderen werden sich eher mittelprächtig unterhalten gefühlt haben.
Den wahren Bandgedanken, den demonstriert einen Abend später Vincent Peirani. Der französische Akkordeonist hat vor knapp anderthalb Jahrzehnten schon mit alten Freunden aus Nizza das Quintett Living Being gegründet, eine Band, die natürlich vor allem mit Peirani selbst und dem Sopransaxofonisten Émile Parisien über starke Solisten verfügt. Aber es ist eine Band die aber in Ravensburg das Publikum mindestens genauso als Kollektiv mitnimmt auf klanglich vielfältige, ausgedehnte Musikreisen. Die bleiben längst nicht nur beim Jazz haften, sondern paaren Art-Rockpower mit folkloristischen Anklängen und streifen in der „Bremain Suite“ gar munter durch die Popwelt mit einer Ohrwurmmelodie wie der von „Under Pressure“ von Queen und David Bowie oder Portishead´s „Glory Box“, die das Quintett mit eigenen Improvisationen verwebt zu ganz großem Musikkino.
Wider das Gift der Kolonisation
Für den krönenden Abschluss der fünf Tage Trans4JAZZ sorgt dann im ausverkauften Ravensburger Konzerthaus die Norwegerin Mari Boine mit ihrem Trio. Mit dem Gitarristen und Vokalisten Georg Buljo und Schlagwerker Gunnar Augland taucht die samische Sängerin ein in die Tradition des Joikgesangs und der Musik der Samen, die sie auch immer mit den aktuellen Problemen der Welt verknüpft. Boine prangert das Gift der Kolonisation etwa und beklagt vor allem den Umgang der Menschen mit der Natur. Auf ein Mari Boine-Konzert muss man sich einlassen. Es ist voller spiritueller Momente, verpackt in folkigen Tunes, die aber mit elektrifizierter Gitarre auch mal gerne rockig daherkommen, von mächtigen Trommelschlägen belebt werden. Eine Weltmusik im besten Sinne, mit Tiefgang, mit berührenden Momenten, mit Botschaft. Eindrücklicher hätte dieses sympathische Festival nicht enden können.











